Königin Katharina von Württemberg (1788-1819)
Als die Münchner Stadtbibliothek Monacensia im Hildebrandhaus zur Blogparade “Frauen und Erinnerungskultur – #femaleHeritage” aufrief, stand für uns sofort fest, dass wir mitmachen. In den Burgen, Schlössern und Klöstern lebten immer wieder Frauen, deren Namen zwar bekannt, deren Wirken aber vergessen ist oder nur in der jeweiligen Region noch ein Stück weit erinnert wird. Doch welche Frau nimmt man heraus? Wir entschieden uns für ein Trio, das wir in loser Folge präsentieren werden. Dieses Trio lebte im 19. Jahrhundert in Stuttgart bzw. im Königreich Württemberg und nicht bzw. nur bedingt gleichzeitig. Vor Ort sind die drei Frauen nach wie vor bekannt, sie werden noch immer als Wohltäterinnen verehrt, aber einem überregionalen Publikum dürften ihre Namen wenig bis nichts sagen.
Es handelt sich um Königin Katharina von Württemberg, Königin Olga von Württemberg und Herzogin Wera von Württemberg. Auch wenn die Schreibweise von „Wera“ etwas fremd anmutet und „Olga“ nicht typisch schwäbisch klingt, vermutet man hinter diesen drei Namen wahrscheinlich nicht, dass ihre Trägerinnen gar nicht aus dem deutschen Südwesten stammen, sondern aus Russland, genauer gesagt aus dem russischen Zarenhaus. Beginnen wir mit Katharina.
Die Königin der Herzen und ihr kurzes Wirken
Tempel der Liebe
Hoch oben auf dem Stuttgarter Rotenberg oder wie er inzwischen heißt, dem Württemberg, steht ein tempelartiges Gebäude, das an Palladios Villa Rotonda erinnert und eines der beliebtesten Ausflugsziele in der Region Stuttgart darstellt. 2020 jährt sich zum 200. Mal der Tag der Grundsteinlegung. Dieser Grundstein wurde auf historischem Boden gesetzt, nämlich an der Stelle, an der im 11. Jahrhundert die Stammburg der Württemberger erbaut worden war. Deren Überreste waren für das neue Gebäude abgetragen worden, nur der Weihestein aus dem Jahr 1083 erinnert noch an sie. An Stelle der Burgruine wurde ein Mausoleum errichtet, denn um ein solches handelt es sich bei dem tempelartigen Bau. Über dem Eingang prangt die vielzitierte Inschrift „Und die Liebe höret nimmer auf“, und das hat seinen guten Grund. Das Monument wurde als Denkmal der Liebe errichtet, als würdige Stätte für die sterblichen Überreste der früh verstorbenen und allseits verehrten und geliebten Landesherrin Katharina.
Geboren wurde Katharina am 21. Mai 1788 in Zarskoje Selo als Großfürstin Katharina Pawlowna Romanowa. Sie war die Tochter von Zar Paul und dessen Ehefrau Maria Fjodorowna, gebürtige Sophie Dorothee Herzogin von Württemberg. In erster Ehe war sie mit Herzog Georg von Oldenburg verheiratet, der aber 1812 an Typhus starb. Am 24. Januar 1816 ehelichte die junge Witwe, die zwei Söhne mit in die neue Ehe brachte, in Sankt Petersburg den württembergischen Kronprinzen Wilhelm.
Sonnenlose Regierungsübernahme
Die Verbindung wurde 1815 auf dem Wiener Kongress arrangiert und scheint auf gegenseitiger Zuneigung beruht zu haben. Die Eheleute waren Cousine und Cousin, was in damaliger Zeit durchaus nicht unüblich war, denn die Auswahl passender Heiratskandidatinnen und -kandidaten war in den Kreisen des Hochadels naturgemäß beschränkt. Viel Zeit blieb Katharina nicht, sich in ihrer neuen Heimat einzugewöhnen, denn schon wenige Monate nach ihrer Ankunft, am 30. Oktober 1816, verstarb König Friedrich. Am selben Tag gebar die neue Königin von Württemberg ihre erste Tochter, Marie Friederike Charlotte.
Im Jahr zuvor war in Indonesien der Vulkan Tambora ausgebrochen. Die Eruptionssäule hatte mehr als 25 Kilometer in den Himmel gereicht, auf dem Vulkanexplosionsindex wird der Ausbruch mit Stärke 7 angegeben, bei 8 hört der Index auf. Eine gigantische Staub- und Aschenwolke zog danach über die Nordhalbkugel und machte 1816 zu einem Jahr ohne Sonne. Besonders schwer traf es Voralberg, die deutschsprachige Schweiz, das Elsass, Bayern, Baden und – Württemberg. Es regnete beinahe ohne Ende, Überschwemmungen waren die Folge, die Ernte verfaulte auf den Feldern, mancherorts fiel im Sommer Schnee. Die Missernten führten zu Hungersnöten, die Menschen konnten ihre Tiere nicht mehr ernähren und mussten sie schlachten, nicht selten aßen sie Gras, Schnecken, Blätter. Das Brot wurde ungeheuer teuer und teilweise mit Sägespänen gestreckt. Die Gefahr einer Hungerrevolte war auch in Württemberg 1816 und 1817 allgegenwärtig.
Königin Katharina ließ das alles nicht kalt, sie saß nicht tatenlos in ihrem Palast, sondern wurde der Motor für landesweite Hilfsmaßnahmen. So nahm sie reichlich von der Mitgift, die sie als Zarentochter erhalten hatte, und setzte sie ein, um die Armut zu mildern. Sie initiierte die Gründung des „Zentralen Wohltätigkeitsvereins“, aus dem das Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg hervorging, schuf Armenküchen und kaufte aus Russland günstig Getreide an. Ihren Bruder, Zar Alexander I., überredete sie, Auswanderer aus Württemberg aufzunehmen, diese zogen zu Tausenden nach Russland. Die erste Sparkasse für das Land, die „Württembergische Spar-Casse“, wurde dank Katharina gegründet, aus ihr entwickelte sich die Landesbank Baden-Württemberg. Und auch die „landwirtschaftliche Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt Hohenheim“, heute die Universität Hohenheim, ging mit auf ihre Initiative zurück, Ziel war eine nachhaltige Produktionssteigerung in der Landwirtschaft.
Das Katharinenhospital und das Katharinenstift, beides Stuttgarter Institutionen, die bis heute einen sehr guten Ruf genießen, wurden ebenfalls von der Königin ins Leben gerufen. Zu Katharinas Zeit lag die Schulbildung für Mädchen in Württemberg noch sehr im Argen. Die Zarentochter kannte das Smolny-Institut in Sankt Petersburg, die erste Schule für Frauen in Russland. Hier wurden adelige Mädchen für die höhere Gesellschaft ausgebildet. Das Institut war schon 1764 gegründet worden, fast am selben Tag, nur 54 Jahre später eröffnete Katharina ihre Stuttgarter „Erziehungs- und Unterrichtsanstalt für die Töchter der gebildeten Stände“, das sogenannte Katharinenstift. Dabei wurden auf Vorschlag des ersten Rektors, Karl-August Zoller, auch einige Schülerinnen aus weniger begüterten Familien aufgenommen. Die Schule war Katharina derart wichtig, dass sie der „unmittelbaren Anordnung, des Schutzes und der Leitung Ihrer Majestät, der Königin,“ unterstand. 22 Besuche von ihr sind verzeichnet, und als im Oktober 1818 die Zarin zu Besuch kam, wurde sie von ihrer Tochter dorthin gebracht und spendete großzügig 300 Dukaten.
Zu wenig Zeit für all die Pläne
Katharina schien fast alles zu gelingen, was sie anpackte. In einem Punkt aber hatte sie keine Möglichkeit mehr, sich durchzusetzen. 1819 wurde auf ihre Einladung hin die Kunstsammlung der Brüder Sulpiz und Melchior Boisserée in Stuttgart ausgestellt. Sie umfasste 215 Tafelgemälde altdeutscher und altniederländischer Meister und war damals schon weltberühmt. Die Königin hatte sie wohl kaufen und dauerhaft in die württembergische Hauptstadt bringen wollen, doch daraus wurde nichts. Zeitgenössischen Stimmen nach war die Sammlung Katharinas weniger kunstsinnigem Ehemann zu teuer, und sie selbst lebte nicht mehr lang genug, um ihn vom großen Wert eines Ankaufs zu überzeugen. Stattdessen griff der bayerische König Ludwig I. zu, die Boisseréesche Kunstsammlung bildet jetzt den Grundstock der Alten Pinakothek in München, was den Stuttgartern bis heute ein Stachel im Fleisch sein dürfte. Vermutlich wäre der Gang der (Kunst-)Geschichte ein anderer gewesen, wäre der Königin mehr Zeit geblieben, sich darum zu kümmern.
Anfang Januar 1819 fuhr Katharina, die im Juni ihre Tochter Sophie, später Königin der Niederlande, zur Welt gebracht hatte, ins nahe Scharnhausen, wo das Haus Württemberg Schloss und Gestüt besaß. In der offiziellen Version hieß es, der König und sie seien zusammen gefahren, die Schriftstellerin Therese Huber schreibt aber in einem Brief, die Königin sei am 4. Januar allein unterwegs gewesen. Kurz nach dieser Fahrt erkrankte Katharina, die sich dabei wohl erkältet hatte und durch schnelle Schwangerschaften sowie rastlose Arbeit sowieso geschwächt war. Eine wirklich schlimme Entwicklung der Krankheit schien man nicht zu erwarten, doch dann geschah das Unfassliche: Am 9. Januar verstarb die geliebte Landesherrin, erst 30 Jahre alt. Die Obduktion ergab eine Gesichtsrose und wohl auch einen Schlaganfall. Ihr plötzlicher Tod wird auf seelischen Kummer zurückgeführt, denn es kann als erwiesen gelten, dass der König sich in Scharnhausen mit der Hofdame Blanche de la Flèche (Baron Keudelstein) getroffen hatte, mit der ihn ein intimes Verhältnis verband. Katharina wollte ihn vermutlich in flagranti erwischen, und möglicherweise ist es ihr gelungen.
„Und die Liebe höret nimmer auf“
Katharinas Sarg wurde in die Stuttgarter Stiftskirche gebracht, die Aufbahrung regelrecht inszeniert. Die Kirche wurde mit schwarzen Tüchern verhängt, während im Zentrum ein erleuchtetes Trauergerüst mit dem Sarg stand, umgeben von Opferschalen. Zwischen 1820 und 1824 ließ Wilhelm I. an einem der Lieblingsplätze Katharinas vom Hofbaumeister Giovanni Salucci die berühmte Grabkapelle auf dem Württemberg errichten. Später wurden dort auch Wilhelm und ihre gemeinsame Tochter Marie beigesetzt. Da Katharina ihren Glauben nicht abgelegt hatte, diente die 1824 fertiggestellte Grabkapelle bis 1899 als russisch-orthodoxe Kirche. Unterhalb wurden zwei Wohnhäuser für den Geistlichen und zwei Sänger erbaut, die täglich für das Seelenheil der Königin beten und singen sollten. Noch immer findet am Pfingstmontag ein russisch-orthodoxer Gottesdienst statt. Dass die Kirche selbst nicht mehr dort oben auf dem Württemberg beheimatet ist, liegt an einer anderen in Stuttgart lebenden Großfürstin, von der wir später erzählen.
Fotos
Literatur
Im Glanz der Zaren. Die Romanows, Württemberg und Europa. [Große Landesausstellung vom 5. Oktober 2013 bis 23. März 2014.] Hrsg. vom Landesmuseum Württemberg. Ulm: Süddeutsche Verlags-Gesellschaft. im Thorbecke-Verlag, 2013.
Gündert, Gisela: 200 Jahre Königin Katharina Stift. 1818-2018. Stuttgart: Königin Katharina Stift, 2018.
Fellmeth, Ulrich: Die Königin in Zeiten voller Nacht: Catharina von Württemberg und das “Jahr ohne Sommer” 1816. Eine Begleitbroschüre zur Ausstellung im Museum zur Geschichte Hohenheims. [Stuttgart]: Universität Hohenheim, 2015.
Thomsen, Sabine: Die württembergischen Königinnen: Charlotte Mathilde, Katharina, Pauline, Olga, Charlotte – ihr Leben und Wirken. 4. Aufl. Tübingen: Silberburg-Verlag, 2014.
Service
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