Die Niederländer in Preußen
„Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate.“ / „Bella gerant alii, tu felix Austria nube.“ – Diesen berühmten Satz zur Heiratspolitik der Habsburger lernen viele schon in der Schule. Tatsächlich waren Heiraten zwischen europäischen Herrscherhäusern ein nicht zu unterschätzendes politisches Instrument zur eigenen Machtsicherung und -erweiterung. Nicht immer waren allerdings politische Gründe ausschlaggebend, manchmal war es auch tatsächlich Liebe. Die europäischen Adeligen heirateten quer über den Kontinent hinweg und schufen so ein Netz voller Verwandtschaftsbeziehungen. Dass es dabei auch zum Austausch von Sitten und Gebräuchen, Moden und Vorlieben kam, konnte nicht ausbleiben.
Die Niederländer sind ein Paradebeispiel für diese Art von „Vernetzung“. Dass diese bis heute wirkt, sieht man allein schon daran, wie viele unserer Mitglieder dem derzeitigen niederländischen König Willem Alexander in den Sozialen Medien zu seinem Geburtstag am 27. April gratulierten. Das in Brandenburg gelegene Oranienburg feiert sogar immer am letzten Sonntag im April einen „Tag in Orange“, und das hat seinen guten Grund.
Aus Bötzow wird Oranienburg
Oranienburg hieß bis 1650 eigentlich Bötzow und war zu diesem Zeitpunkt nicht viel mehr als eine unbedeutende Domäne, die im Dreißigjährigen Krieg schwer gelitten hatte. Das Jagdschloss, das einst vom brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. auf den Resten einer Burg erbaut worden war, lag in Schutt und Asche. Kurfürst Friedrich Wilhelm, der „Große Kurfürst“, schenkte in eben diesem Jahr die Domäne seiner Gattin Louise Henriette. Sie ließ anstelle des Jagdschlosses das erste barocke Schloss in Brandenburg errichten und nannte Bötzow in Erinnerung an ihre niederländische Heimat Oranienburg. Ihr Sohn Friedrich I., der erste preußische König, ließ das Schloss erweitern und prachtvoll ausstatten. Im Zweiten Weltkrieg wurde Oranienburg stark zerstört, doch nach umfangreichen Renovierungsarbeiten erstrahlen Schloss und Park inzwischen wieder in ihrer ganzen Schönheit. 1999 besuchte Königin Beatrix der Niederlande dort die Ausstellung „Onder den Oranje Boom“ und erneuerte die Verbundenheit ihres Landes zu Oranienburg und Brandenburg.
Eine starke Frau
Kurfürstin Louise Henriette, 1627 in Den Haag geboren, war die älteste Tochter des niederländischen Statthalters Friedrich Heinrich von Oranien und seiner Frau Amalie zu Solms-Braunfels. Willem van Oranje, der Wegbereiter der modernen Niederlande und Begründer des späteren niederländischen Königshauses, war ihr Großvater. Für Brandenburg und eben auch Bötzow/Oranienburg sollte die Verbindung des schwer kriegsgeschädigten Landes mit dem reichen Haus Oranien ein Glücksfall sein, der den Weg zum Königtum bereitete. Nicht wenig trug dazu Louise Henriette bei.
Sie sah zierlich und zerbrechlich aus, und war doch eine starke Frau. Trotz des Reichtums ihrer Eltern in calvinistischer Bescheidenheit erzogen, setzte Louise Henriette in ihrer neuen Heimat alles daran, dem Land wieder auf die Beine zu helfen. Sie blieb nicht einfach im Palast sitzen, sondern begleitete ihren Gatten auf unzählige Reisen, selbst dann, wenn sie in Heerlager führten. Sechs Kindern schenkte sie das Leben und erlitt mehrere Fehlgeburten. In die Domäne holte Louise Henriette Siedler aus ihrer Heimat und entwickelte daraus ein Mustergut, das für die Landwirtschaft in der Mark richtungweisend sein sollte. In Erfüllung eines Gelübdes schenkte sie Oranienburg zudem ein gut ausgestattetes Waisenhaus. Für den Bau des Schlosses engagierte sie den in den Niederlanden ausgebildeten Hofbaumeister Johann Gregor Memhardt und zahlreiche niederländische Handwerker und Künstler. Diese hinterließen in Oranienburg deutlich die Handschrift ihres Landes, etwa im Schmuck der Kaminmäntel mit Porzellanen. 1663 ließ die Kurfürstin das erste deutsche Porzellankabinett einrichten, eine absolute Besonderheit in einer Zeit, in der in Europa noch kein Porzellan herstellt werden konnte und extrem teuer exportiert werden musste.
Museum mit niederländischen Schätzen
Heute ist das Schloss nach umfangreicher Sanierung der Öffentlichkeit zugänglich. Im Museum ist eine herausragende Kunstgemäldesammlung zu sehen, die neben anderen niederländischen Meistern auch Werke des Flamen Anthonis van Dyck präsentiert. Unbedingt sehenswert ist das Silbergewölbe, die einzige noch an historischer Stelle erhaltene Silberkammer eines deutschen Schlosses. Hier werden Kostbarkeiten der Glas- und Silberschmiedekunst der brandenburg-preußischen Herrscher gezeigt. Ein weiterer Höhepunkt ist die kurfürstliche Wohnung mit der Porzellankammer, in der die originale Deckendekoration und das Deckengemälde von Augustin Terwesten bewundert werden kann. Terwesten war wie auch sein Bruder Matthäus als Maler am brandenburgischen Hof tätig und stammte aus Den Haag. Seine Eltern wiederum kamen ursprünglich aus Deutschland, der Vater aus Augsburg, die Mutter aus Berlin – europäische Wanderbewegungen gab es eben nicht nur im Adel.
Oranier-Route
Kurfürstin Louise Henriette war im Übrigen nicht die einzige Angehörige des Hauses Oranien, die in den deutschen Hochadel einheiratete, ihre jüngere Schwester Henriette Catharina etwa heiratete in das Haus Anhalt-Dessau ein und ließ bei Dessau Stadt und Schloss Oranienbaum als ihre Residenz errichten. Die Verbindungen der Niederländer zu Deutschland kommen eindrucksvoll in der 2400 Kilometer langen Oranier-Route zum Ausdruck, die in einem Rundkurs von Amsterdam aus durch neun deutsche Bundesländer führt. Aus dem Kreis unserer Vereinsmitglieder liegen Schloss Oranienbaum, Schloss Mosigkau und der Park von Schloss Wörlitz, alle zum Gartenreich Dessau-Wörlitz gehörig, Schloss Wenigerode, Schloss Oranienburg und Schloss Schwerin an der Route, aus dem Kreis der Schwesterorganisation Network of European Royal Residences die Sommerresidenz Paleis Het Loo im niederländischen Apeldoorn.
Natürlich färbte bei den engen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den europäischen Häusern vieles auch auf Ess- und Trinkgewohnheiten ab. Im Zuge von „Zu Tisch!“ und des Europäischen Kulturerbejahrs 2018 spielt deshalb beim diesjährigen Orangefest am 29. April die höfische Esskultur eine besondere Rolle. Passend dazu gibt es im Orangesaal des Schlosses eine Tafel, an der die Besucher Platz nehmen und Interessantes zum Thema Kulinarik und höfische Esskultur in der Barockzeit erfahren können. Der Weg exotische Gewürze oder des Kakaos nach Europa und deren Verwendung werden ebenso thematisiert wie die Bedeutung der Orangenbäume und das Ritual der Jagd für die höfische Tafel.
Im Schlosspark nehmen „Die Artistokraten“ in ihren höfischen Gewändern an einer reich gedeckten Tafel Platz und vollführen Akrobatik vom Feinsten. Im Schlossmuseum erwartet die Kinder eine Audienz mit Ordensverleihung und die Erwachsenen Wissenswertes über die Beziehungen Brandenburgs und Preußens zu den Niederlanden. Beim bunten Markttreiben rund ums Schloss sorgen niederländische Folklore und Leckereien, historisches Kunsthandwerk, Holzschuhtanz, Live-Musik und die höfische Akrobatik der „Artistokraten“ für fröhliche Stimmung. Veranstaltet wird das Orangefest von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in Zusammenarbeit mit der Stadt Oranienburg und der Tourismus und Kultur Oranienburg (TKO) gGmbH.
Text: Andrea Hahn unter Verwendung von Material der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG); Fotos mit freundlicher Genehmigung der SPSG
Ein Beitrag zu #differenceMW innerhalb der #MuseumWeek
ACHTUNG: Am 2. Mai beginnt unsere Blogparade #SchlossGenuss
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