Europa und die Schlösserwelt – Ein Beitrag zur Blogparade #SalonEuropa
„Was ist Europa für uns?“ Wenn wir diese Frage, die Burg Posterstein bei der Blogparade #SalonEuropa stellt, aus der Sicht unseres Projekts „Zu Tisch! Genießen in Schlössern und Gärten“ beantworten würden, wären wir schnell fertig. Hier würde nämlich nur das Wort „Alles!“ stehen. Warum? Weil es das Projekt ohne Europa nicht geben würde und weil es das Europäische Kulturerbejahr SHARING HERITAGE 2018 nicht geben würde, für das dieses Projekt ins Leben gerufen wurde. Doch ganz so einfach machen wir es uns natürlich nicht.
Das Tor zu den Wurzeln
Seit Jahresanfang laden die Mitglieder des Vereins „Schlösser und Gärten in Deutschland e.V.“ oder genauer gesagt, rund 120 Schlösser, Burgen, Klöster und Gärten, die Teil des Vereins sind, die Besucher zu Tisch – die einen im wahrsten Sinn des Wortes, die anderen im übertragenen Sinn. Mit gut 1000 Veranstaltungen gaben und geben sie den Menschen die Möglichkeit, in die Geschichte einzutauchen und die eigenen Wurzeln an historischen Originalschauplätzen herrschaftlicher Genusskultur zu erkunden. Eiskeller und Weindepots, Hofküchen und Silberkammern öffnen ihre Türen, in Speisesälen sind kunstvolle Tafeln eingedeckt, in Orangerien wird gezeigt, wie und wo die exotischen Zitrusbäumchen, die im Sommer die Gärten schmücken, während der kalten Jahreszeit Unterkunft finden. Schnell wird dadurch klar, dass es sich bei dieser Ess-, Trink-, Tisch- und Genusskultur um eine Kultur handelt, die nicht in jedem Königreich, Fürstentum oder jeder Grafschaft neu entstanden ist. Vielmehr haben wir es mit einer gemeinsamen europäischen Kultur zu tun – entstanden aus dem Zusammenspiel von internationalen und regionalen Einflüssen, befruchtet durch große Mobilität und verwandtschaftliche Beziehungen.
Europa zu Tisch
Schon die Mönche brachten Zutaten aus verschiedenen europäischen Gegenden auf den Teller. Der Karpfen etwa, der wahrscheinlich von den Römern an der Donau entdeckt worden war, wurde durch die Teichwirtschaft der Zisterzienser in vielen Regionen Europas bekannt und als Fastenspeise kultiviert. Die Sicherung der Herrschaft, verwandtschaftliche Beziehungen, Kur- und Erholungsaufenthalte sowie Bildungsreisen führten zu gegenseitigem Austausch von Kulturgütern. Seit der Renaissance gehörte die Grand Tour zum unverzichtbaren Bestandteil im Leben eines adeligen Jünglings, sie markierte den Abschluss seiner Erziehung und den Übergang zum Erwachsenenleben. Dabei wurden neue Eindrücke aus fremden Ländern gesammelt, berühmte Gemälde erstanden, ausländische Künstler für den heimatlichen Hof engagiert und auch exotische Köstlichkeiten in die Heimat gebracht. Wer weiß? Vielleicht fand so die Bitterorange, die schon den langen Weg von China über Indien und die arabischen Länder nach Südeuropa gekommen war, schließlich auch im für sie klimatisch feindlichen Norden ihre Liebhaber.
Hochzeit im Zeichen der Krone
Die Grand Tour bot zudem Gelegenheit zur Brautschau. Dynastische Heiraten verbanden jahrhundertelang die Herrscherhäuser des ganzen Kontinents miteinander. Die Verwandtschaftsverhältnisse waren allerdings nichts weniger als hochkompliziert, was manchen Erbfolgekrieg zur Folge hatte. Von England wurde nach Spanien geheiratet, von Österreich nach Frankreich, von den Niederlanden nach Preußen, von Preußen nach Russland, von Russland nach Württemberg, von Dänemark nach Griechenland. Monarchen, denen kein Thronfolger geboren wurde, erklärten nicht selten einen Verwandten zum zukünftigen Träger der Krone, der in einem ganz anderen Teil von Europa aufgewachsen war und zum Zeitpunkt der Ernennung das Land, das er regieren sollte, vielleicht nicht einmal betreten hatte. Ferdinand von Hohenzollern-Sigmaringen wurde zum Beispiel von seinem kinderlosen Onkel Karl I. von Rumänien zum Nachfolger bestimmt. Er ehelichte Marie von Edinburgh, eine Enkelin von Queen Victoria und des russischen Zaren sowie Cousine des deutschen Kaisers, der wiederum auch Ferdinands Cousin war. Der zukünftige rumänische König war auf der schwäbischen Alb aufgewachsen und hatte in Tübingen und Leipzig studiert, seine Gattin überwiegend auf Malta und in Coburg gelebt. Beide kannten zunächst das Land nicht, in dem sie ab 1914 regierten und dessen Kultur sie zu schätzen lernten.
Grenzenlose Küche
Durch die Hochzeiten kamen Tischwäsche, Porzellane, Tafelaufsätze aus der Heimat der Braut ins Land des Bräutigams. Handelte es sich um eine reiche Mitgift, war mit großer Wahrscheinlichkeit ein Teil in regionalen Werkstätten und der andere in renommierten Manufakturen des Auslands gefertigt worden. Auch Rezepte wanderten von Hof zu Hof, von Land zu Land. Die Speisen behielten je nach Verfügbarkeit der Zutaten und Geschmacksvorlieben mehr oder weniger ihre Originalität, gewürzt wurden sie mit einheimischen Kräutern und fremdländischen Gewürzen. Auf den Menükarten waren Soupe à la Allemande, Poulet à la Portugaise und Punsch à la Romaine zu finden. Serviert wurde „à la français“ oder „à la russe“. Probleme mit der Verständigung gab es im Allgemeinen nicht, denn an den herrschaftlichen Tafeln wurde je nach Epoche Latein, Französisch oder Englisch gesprochen.
Ein unglaublich dichtes Netz von Beziehungen lag somit über dem Kontinent, das ihn gleichzeitig einte, aber auch Konflikte wie etwa Erbfolgekriege schürte, durch die wiederum Grenzen verschoben wurden. Die höfische Ess-, Trink- und Tischkultur spiegelt all das wider. Sie bietet dadurch einen hervorragenden Anknüpfungspunkt zur Darstellung interkultureller Vernetzungen und der gemeinsamen europäischen Kulturgeschichte. Und um die Fragestellung von #SalonEuropa etwas umzudrehen: Sie zeigt uns, was Europa ist, nämlich ein bunter Kontinent, geprägt von Gemeinsamkeiten und Gegensätzen, Verwandtschaftsbeziehungen und Wanderbewegungen, Krieg und Frieden, Austausch, gegenseitiger Inspiration und auch Einverleibung – ein Kulturland oder vielmehr Kulturkontinent, versehen mit großartiger Genusskultur und reichlich Schlossgenuss. Und was ist uns nun Europa? Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, also: Alles! Was sonst?
Liebe Andrea,
auch von meiner Seite ein dickes Merci! Ihr habt den Kultur-Blogparaden-Reigen zum Europäischen Kulturerbejahr 2018 gestartet. Was für eine Chance, dass ihr drei mit dem Deutschen Historischen Museum und jetzt Burg Posterstein mich ins Boot geholt habt, somit konnten wir unsere Aktivitäten aufeinander abstimmen.
Du und die Partner von Schlösser und Gärten in Deutschland e.V. haben sich grandios an allen Blogparaden beteiligt – so macht digitale Kulturvermittlung Spaß!
Nebenbei lernte ich wieder etwas – sage nur Karpfen!
Herzlich
Tanja von KULTUR-MUSEUM-TALK
LIebe Tanja,
ja, auch uns hat das „Dreierlei“ sehr viel Spaß gemacht. Hab herzlichen Dank für die tolle Organisation! Auch wir haben dabei eine ganze Menge gelernt, und das betrifft nicht nur die Karpfen 😉
Herzliche Grüße
Andrea
Herzlichen Dank für diesen vielseitigen und wirklichen bunten Einblick in die höfische Kultur vergangener europäischer Epochen!
Sicherlich muss man relativieren, dass die Gesellschaft damals zweigeteilt war. Während der Adel und Klerus Beziehungen durchaus quer durch den ganzen Kontinent pflegte, große Reisen machte und mehrere Sprachen sprach, waren die Bauern sehr sesshaft und lokal verankert. Zwei völlig verschiedene Welten, die Europa sicherlich bis heute gleichermaßen prägen. Nichtsdestotrotz ist es ungeheuer spannend, sich diese Vielfalt und Vermischung in Erinnerung zu rufen. All das prägte Europa! Den Spuren dieser Zeit können wir heute nicht zuletzt in Schlössern und Gärten nachspüren.
Vielen lieben Dank für diesen Beitrag zur Blogparade #SalonEuropa!
Marlene Hofmann
Liebe Marlene Hofmann,
das ist unbestritten richtig, die Welt war zweigeteilt und alles andere als rosig. Die Kriege, die Ausbeutung weiter Teile der Bevölkerung, die Degradierung der Frauen zum Heiratsgut und zu Gebärerinnen von Thronfolgern und vieles mehr, das darf nicht übersehen und geleugnet werden. Doch es gibt eben auch diesen schönen und positiven Aspekt, dass die Adelskultur viel zur Vielfalt und Vermischung innerhalb von Europa beitrug. Und gerade die Zitrusfrüchte oder Kaffee und Tee sind ein gutes Beispiel: Dinge, die über den Adel in die verschiedenen Regionen des Kontinents getragen wurden, wanderten mit zunehmendem Wohlstand von oben nach unten bzw. von einer kleinen Gruppe in die breite Öffentlichkeit und prägen heute unsere Gesellschaft. Man könnte noch so viel dazu schreiben… 🙂
Herzlichen Dank für diese tolle Blogparade!
Andrea Hahn und das Team von „Zu Tisch!“