Frascati, eine Gemeinde südöstlich von Rom – hier wurde Mitte des 19. Jahrhunderts ein italienisches „Konservenwunder“ geboren: der ‚fürstliche‘ Koch Antonio Catasta, der im Verlaufe seines Lebens zum Gründer einer renommierten Konservenfabrik im rechtsrheinischen Sayn (heute Landkreis Mayen-Koblenz in Rheinland-Pfalz) werden sollte.
Als junger Mann sammelte Catasta seine ersten Kenntnisse in der Kochkunst in der Küche des florentinischen Fürsten Aldobrandini. Ab 1870 fungierte er als Küchenchef in zwei Adelsfamilien: 1870 bis 1873 bei dem Marquis Vitelleschi und ab 1873 bei der Familie Zeploff. 1875 trat er in die Dienste von Kardinal Gustav Adolf Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst, einem Bruder des früheren deutschen Reichskanzlers.
Schloss Sayn (c) Schloss Sayn
Seine internationalen Erfahrungen rundete er ab, als er von 1877 bis 1883 bei Fürst Alexander von Sayn-Wittgenstein-Sayn angestellt war und anschließend beim Herzog von Ratibor. Auch in der kaiserlichen Hofküche zu Berlin war er tätig, dann nämlich, wenn er aushilfsweise die berühmten Küchenchefs Wilhelms I., Urbain Dubois und Émile Bernard, unterstützte. Gerade wenn große Anforderungen zu bewältigen waren, schätzten die Küchenmeister die Fähigkeiten und die Sorgfalt, die Antonio Catasta auszeichneten. Ebenso geschätzt wurde seine Kochkunst von Kaiserin Augusta. Hielt sie sich in Koblenz auf, führte er des Öfteren die Küche. Eine seiner Spezialitäten soll Schneckensuppe gewesen sein.
Vom Koch zum ‚Konservierer‘
Catasta hatte bereits während seiner Tätigkeit als Koch eine Leidenschaft für die Herstellung von Konserven entwickelt. Zwar ging er nicht als der Erfinder der Konserve in die Geschichte ein, dennoch trug er dazu bei, die auf diese Weise haltbar gemachten Lebensmittel deutschlandweit zu vertreiben. Als Erfinder der Hitzekonserve gelten Denis Papin, der um 1700 mit Gelees und Kochfleisch experimentierte, und Nicolas Appert, der 1809 die Technik des Hitzekonservierens verfeinerte. Den Durchbruch erzielte allerdings erst Louis Pasteur, indem er 1864/65 die Lebensmittel kurzzeitig auf knapp unter 100° C erhitzte. Konserven waren, obwohl sie ab den 1890er-Jahren in Warenhäusern angeboten wurden, teuer. Letzteres galt bestimmt auch für Catastas Produkte, denn er achtete sehr auf Qualität.
Max Liebermann: Konservenmacherinnen, 1879. Quelle: WIkipedia
Den Grundbaustein für seine langjährige Passion legte Antonio Catasta mit der Gründung einer Konservenfabrik in Sayn und damit ganz nah an seinem früheren Wirkungsort Schloss Sayn. 1902 ließ er in der Koblenz-Olper-Straße 26 ein Gebäude errichten, in dessen Kellern um 1910 die nötigen Anlagen zur Herstellung von Konserven installiert wurden. Dort bereiteten unter seiner Ägide zahlreiche Frauen aus der nahen Umgebung Gemüse und Obst zu und weckten es ein. Antonio Catasta verlangte große Sorgfalt, so mussten die Frauen, wenn schwarze Johannisbeeren eingekocht wurden, vorher mit einer Nadel die Kerne aus den Beeren entfernen. Doch die Mühen und der Perfektionismus zahlten sich aus: Die hervorragende Qualität der Catasta-Konserven konnte sich, vermutlich nicht zuletzt durch den guten Ruf Catastas als Koch in fürstlichen Häusern, gerade bei den hochadeligen Familien Deutschlands durchsetzen. Sie wurden zu seinen Stammkunden, und selbst die preußische Hofküche, die als gastronomischer Spitzenbetrieb angesehen wurde, reihte sich unter die regelmäßigen Besteller ein. Antonio Catasta wurde schließlich sogar zum kaiserlichen Hoflieferanten ernannt.
Hofküche in Schloss Sanssouci, Potsdam, (c) SPSG, Foto: Wolfgang Pfauder
Vom ‚Konservierer‘ zum Hotelier
Doch mit Beginn des Ersten Weltkriegs war der Italiener Catasta gezwungen, die Fabrikation einzustellen. Nach dem Krieg wurde ihm zwar eine Wiedergutmachung angeboten, die lehnte er allerdings mit dem Hinweis ab, dass er sein Geld vor dem Kriege jahrelang in Deutschland verdient habe.
1912 schon war das Haus, in dessen Kellerräumen sich die erfolgreiche Konservenfabrik befand, in ein Hotel umgebaut, das Antonio Catasta nach seinem Geburtsort „Frascati“ benannte. Als Sayn in den 1930er-Jahren zum Luftkurort ernannt wurde, vermietete Familie Catasta Betten. Die Pensionspreise betrugen zwischen 3 und 4,50 Mark. Sie bot auch Frühstück, Mittag- und Abendessen an, die Preise lagen zwischen 75 Pfennigen und 1,50 Mark für ein Frühstück, 1 und 3 Mark für ein Mittagessen sowie 80 Pfennigen und 2,50 Mark für ein Abendessen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Catastas Tochter Maria-Magarete Krupp das Haus. Im Jahre 1958 wurde es an den Kaufmann Walter Fehrenz verkauft und ging danach in den Besitz von dessen Tochter Ellen Kastor über.
Heute steht das Gebäude zwar noch, aber mit der Produktion von geradezu fürstlichen Konserven hat es längst nichts mehr zu tun. Die „konservierenden“ Hände wichen Familien, die in diesem Gebäude ihr Zuhause fanden. Ob man von der der Energie und dem Tatendrang, den Antonio Catasta ausstrahlte, wohl noch etwas darin spürt? Auf alle Fälle würden bestimmt viele gern das handverlesene und -entkernte Johannisbeergelee aus seinem Haus kosten. Ein Sohn Antonio Catastas, Adolf Catasta, trat im Übrigen zumindest teilweise in die Fußstapfen des Vaters und leitete um 1940 die Gaststätte „Zur Burg Sayn“.
Schloss und Burgberg (c) Archiv Schloss Sayn
Literatur
Franz-Josef Nieth: Antonio kochte für Fürsten und Kaiser. In: Bendorfer Zeitung vom 27. Oktober 1987.
Eingeweckt! – Wie ein italienischer Koch um 1900 die deutschen Fürstenhäuser begeisterte
Frascati, eine Gemeinde südöstlich von Rom – hier wurde Mitte des 19. Jahrhunderts ein italienisches „Konservenwunder“ geboren: der ‚fürstliche‘ Koch Antonio Catasta, der im Verlaufe seines Lebens zum Gründer einer renommierten Konservenfabrik im rechtsrheinischen Sayn (heute Landkreis Mayen-Koblenz in Rheinland-Pfalz) werden sollte.
Als junger Mann sammelte Catasta seine ersten Kenntnisse in der Kochkunst in der Küche des florentinischen Fürsten Aldobrandini. Ab 1870 fungierte er als Küchenchef in zwei Adelsfamilien: 1870 bis 1873 bei dem Marquis Vitelleschi und ab 1873 bei der Familie Zeploff. 1875 trat er in die Dienste von Kardinal Gustav Adolf Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst, einem Bruder des früheren deutschen Reichskanzlers.
Schloss Sayn (c) Schloss Sayn
Seine internationalen Erfahrungen rundete er ab, als er von 1877 bis 1883 bei Fürst Alexander von Sayn-Wittgenstein-Sayn angestellt war und anschließend beim Herzog von Ratibor. Auch in der kaiserlichen Hofküche zu Berlin war er tätig, dann nämlich, wenn er aushilfsweise die berühmten Küchenchefs Wilhelms I., Urbain Dubois und Émile Bernard, unterstützte. Gerade wenn große Anforderungen zu bewältigen waren, schätzten die Küchenmeister die Fähigkeiten und die Sorgfalt, die Antonio Catasta auszeichneten. Ebenso geschätzt wurde seine Kochkunst von Kaiserin Augusta. Hielt sie sich in Koblenz auf, führte er des Öfteren die Küche. Eine seiner Spezialitäten soll Schneckensuppe gewesen sein.
Vom Koch zum ‚Konservierer‘
Catasta hatte bereits während seiner Tätigkeit als Koch eine Leidenschaft für die Herstellung von Konserven entwickelt. Zwar ging er nicht als der Erfinder der Konserve in die Geschichte ein, dennoch trug er dazu bei, die auf diese Weise haltbar gemachten Lebensmittel deutschlandweit zu vertreiben. Als Erfinder der Hitzekonserve gelten Denis Papin, der um 1700 mit Gelees und Kochfleisch experimentierte, und Nicolas Appert, der 1809 die Technik des Hitzekonservierens verfeinerte. Den Durchbruch erzielte allerdings erst Louis Pasteur, indem er 1864/65 die Lebensmittel kurzzeitig auf knapp unter 100° C erhitzte. Konserven waren, obwohl sie ab den 1890er-Jahren in Warenhäusern angeboten wurden, teuer. Letzteres galt bestimmt auch für Catastas Produkte, denn er achtete sehr auf Qualität.
Max Liebermann: Konservenmacherinnen, 1879. Quelle: WIkipedia
Den Grundbaustein für seine langjährige Passion legte Antonio Catasta mit der Gründung einer Konservenfabrik in Sayn und damit ganz nah an seinem früheren Wirkungsort Schloss Sayn. 1902 ließ er in der Koblenz-Olper-Straße 26 ein Gebäude errichten, in dessen Kellern um 1910 die nötigen Anlagen zur Herstellung von Konserven installiert wurden. Dort bereiteten unter seiner Ägide zahlreiche Frauen aus der nahen Umgebung Gemüse und Obst zu und weckten es ein. Antonio Catasta verlangte große Sorgfalt, so mussten die Frauen, wenn schwarze Johannisbeeren eingekocht wurden, vorher mit einer Nadel die Kerne aus den Beeren entfernen. Doch die Mühen und der Perfektionismus zahlten sich aus: Die hervorragende Qualität der Catasta-Konserven konnte sich, vermutlich nicht zuletzt durch den guten Ruf Catastas als Koch in fürstlichen Häusern, gerade bei den hochadeligen Familien Deutschlands durchsetzen. Sie wurden zu seinen Stammkunden, und selbst die preußische Hofküche, die als gastronomischer Spitzenbetrieb angesehen wurde, reihte sich unter die regelmäßigen Besteller ein. Antonio Catasta wurde schließlich sogar zum kaiserlichen Hoflieferanten ernannt.
Hofküche in Schloss Sanssouci, Potsdam, (c) SPSG, Foto: Wolfgang Pfauder
Vom ‚Konservierer‘ zum Hotelier
Doch mit Beginn des Ersten Weltkriegs war der Italiener Catasta gezwungen, die Fabrikation einzustellen. Nach dem Krieg wurde ihm zwar eine Wiedergutmachung angeboten, die lehnte er allerdings mit dem Hinweis ab, dass er sein Geld vor dem Kriege jahrelang in Deutschland verdient habe.
1912 schon war das Haus, in dessen Kellerräumen sich die erfolgreiche Konservenfabrik befand, in ein Hotel umgebaut, das Antonio Catasta nach seinem Geburtsort „Frascati“ benannte. Als Sayn in den 1930er-Jahren zum Luftkurort ernannt wurde, vermietete Familie Catasta Betten. Die Pensionspreise betrugen zwischen 3 und 4,50 Mark. Sie bot auch Frühstück, Mittag- und Abendessen an, die Preise lagen zwischen 75 Pfennigen und 1,50 Mark für ein Frühstück, 1 und 3 Mark für ein Mittagessen sowie 80 Pfennigen und 2,50 Mark für ein Abendessen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Catastas Tochter Maria-Magarete Krupp das Haus. Im Jahre 1958 wurde es an den Kaufmann Walter Fehrenz verkauft und ging danach in den Besitz von dessen Tochter Ellen Kastor über.
Heute steht das Gebäude zwar noch, aber mit der Produktion von geradezu fürstlichen Konserven hat es längst nichts mehr zu tun. Die „konservierenden“ Hände wichen Familien, die in diesem Gebäude ihr Zuhause fanden. Ob man von der der Energie und dem Tatendrang, den Antonio Catasta ausstrahlte, wohl noch etwas darin spürt? Auf alle Fälle würden bestimmt viele gern das handverlesene und -entkernte Johannisbeergelee aus seinem Haus kosten. Ein Sohn Antonio Catastas, Adolf Catasta, trat im Übrigen zumindest teilweise in die Fußstapfen des Vaters und leitete um 1940 die Gaststätte „Zur Burg Sayn“.
Schloss und Burgberg (c) Archiv Schloss Sayn
Literatur
Franz-Josef Nieth: Antonio kochte für Fürsten und Kaiser. In: Bendorfer Zeitung vom 27. Oktober 1987.