Wo sich Currywurst und Schaumwein treffen
Bei dem Namen Schaumburg-Lippe perlt das Bild von Schaumwein an meine Bewusstseinsoberfläche. Dazu denke ich an volle Marzipanröschen und kleine Törtchen, überzogen mit feinem Zuckerguss. Ich denke ganz sicher nicht an einen Ort, wo angeblich die Currywurst erfunden wurde. Als überzeugte Wahlberlinerin stößt mir diese Behauptung natürlich auf, die ich da auf einem kleinen Plastikschild in der Schlossküche von Bückeburg, dem Familiensitz der Schaumburg-Lippes, lese. Hektisch befrage ich Wikipedia. Auch dort ordnet man die Currywurst Herta Heuwer zu, ansässig in Berlin-Charlottenburg. Sehr wahrscheinlich war noch Frank Friedrich beteiligt, ein Schlachter. Er erfand die Wurst ohne Darm und rührte wesentlich an der Saucenentwicklung für die Currywurst mit. Weit und breit kein Hinweis auf Schloss Bückeburg und einen seiner Köche aus dem Jahr 1946. Mein Weltbild rückt sich wieder gerade.
„Alte Schlossküche“, (c) Fürstliche Schlossverwaltung, Bückeburg
Wir sitzen an einem Maimorgen in eben jener Bückeburger Schlossküche und frühstücken auf unserer fünfwöchigen Rundreise durch Westeuropa zum letzten Mal. Wir sind müde, von Eindrücken und Erlebnissen gesättigt und warten nun auf den Kaffee. Da fällt mein Blick auf eben jenes kleine Plastikschildchen, das stolz die Erfindung der Currywurst verkündet. Die deutscheste aller Würste, die es zu internationaler Bekanntheit und in Berlin immerhin für einige Zeit zu einem eigenen Museum gebracht hat, wird auf Schloss Bückeburg unter anderem in einer extravaganten Kombination mit Schaumwein angeboten, eine Luxus-Variante der Currywurst also. Ich muss schmunzeln und bedanke mich für meinen Kaffee. Die Currywurst mit Sekt verzehren zu wollen, kommt für mich einem Sakrileg gleich (es gehören fettige Fritten und billiges, lauwarmes Bier zum eigentlichen Genuss, am besten stehend verzehrt bei Konopkes in der Schönhauser Allee). Und so trotte ich ohne Currywurst zum traditionellen Frühstücksbuffet, das für nahezu alle Gaumen etwas bereitstellt. Vom Müsli, über Antipastigemüse und traditionelle Käse-, Wurstvariationen bis hin zum Rührei und Bacon findet man fast alles in der alten Schlossküche. Der deutsche Frühstücksmagen wird zudem mit Konfitüre und Brötchen zufriedengestellt. Eine kleine Obstauswahl dazu, es fehlt eigentlich nur der Haferbrei.
700 Jahre Schlossgeschichte, und was Voltaire auf Bückeburg zu suchen hatte
Als wir am Abend zuvor unseren Van auf das Gelände des Schlossparkes lenkten, hatten wir zugegebenermaßen keine Ahnung, auf welche Perle wir hier westlich von Minden stoßen sollten. Wir gehören nicht zu den perfekten Urlaubsplanern. Vielmehr folgen wir einer groben Idee, mäandern dann glücklich durch die Umgebung und finden kleine Schätze wie eben Schloss Bückeburg. Von der A2 abgefahren, tauchten wir ein in grüne Hügellandschaften, die tief atmen ließen. Sie führten vorbei an alten Stallungen, die in roten Backsteingebäuden untergebracht waren. Der Platz neben dem Schloss, den wir über unsere Camper-App gefunden hatten und auf dem man für sieben Euro übernachten darf, ist von der besseren Sorte. Es gibt Elektrizität und leicht gedämmte Laternen. Es hatten sich bereits drei Wohnwagen an jeweils einer Ecke positioniert, als wir ankamen. Wir bezogen die vierte und gingen im Dämmerlicht auf Wanderschaft.
Perfekt für Nachtschwärmer, (c) Susanne Thiel, Berlin
Was ich in diesem Moment noch nicht kenne, mir aber anschließend grob anlese, ist die 700 Jahre alte Familiengeschichte der Schaumburg-Lippes. Sie unterscheidet sich eklatant von der meinigen (abgesehen vom damals recht häufig vergebenen und heute leicht archaisch anmutenden Männernamen „Ernst“). Im Mittelalter errichtet und konsequent als Befestigungsanlage ausgebaut, wurde der Schlossherr Ernst von Holstein-Schaumburg zu Zeiten der Renaissance zum Fürsten ernannt. Fröhlich expandierte er in das kleine Bückeburg, das dadurch neue Straßen und frühbarocke Fassaden erhielt.
Was mich aber besonders fasziniert, sind die Besuche von Voltaire. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde er hier für seinen Roman “Candide” inspiriert. Der französische Aufklärer kritisierte mit seiner bekannten Romansatire das optimistische Weltbild Gottfried Wilhelm Leibnitz‘: „Wenn dies die beste aller möglichen Welten ist, wie sind dann bloß die anderen?“ Seinen naiven Romanhelden Candide ließ er auf einem Schloss groß werden, für das Bückeburg Pate stand. Man nahm es ihm nicht übel. So scheint sich denn der Bogen von den französischen Nachbarn bis ins Heute zu spannen, während man dem „Savoir Vivre“ in der Brasserie „Lillys“ begegnen kann, auf die wir bei unserem Rundgang im Schlosspark gleich noch stoßen werden.
Blick auf die Rückfront von Schloss Bückeburg, (c) Susanne Thiel, Berlin
Ein liebevoller Blick zu den Nachbarn – „Savoir Vivre“ in Niedersachsen
Was wir allerdings bei unserem Spaziergang zuerst sehen, sind der ehemalige Marstall, eine kleine Koppel, ein Burggraben um das Schloss und all das eingefasst von einem sehr grünen Park mit vielen unterschiedlichen Baumarten. Das frühbarocke Portal, das auf das Gelände führt, übersehen wir trotz seines Prunks fast. Die ausladenden Baumwipfel der teilweise seltenen Baumarten übernehmen die Regie hier draußen und lenken den Blick ins frische Grün. Es riecht nach Frühling, und wir ignorieren geflissentlich die aufziehenden Wolken am Abendhimmel. Freudig überrascht finden wir am anderen Ende des Parks, ein wenig versteckt, „Lilly’s Brasserie“. Verwirrenderweise lädt man hier zum Fine Dining ein (als ob es die Franzosen nötig hätten, ihr fantastisches Essen zu kategorisieren). Eingehüllt in Decken sitzen wir draußen im Biergarten und haben die Wahl zwischen Exquisitem, wie französischen Schnecken oder Flammkuchen, und dem eher handfesten Burger. Wir waren gerade in Frankreich, wo ich mich tapfer durch ein Schneckengericht gemüht hatte, weshalb ich jetzt den Burger wähle. Die Fritten dazu sind absolut unschlagbar. Sie werden von einem sehr freundlichen Kellner serviert, der von unserer abendlichen Geschwätzigkeit ein bisschen überrascht scheint. Savoir vivre? Oui, absolument – wir folgen dem Motto der Brasserie liebend gern und denken „La vie est belle“. Hier draußen im abendlichen Dämmerlicht von Bückeburg ganz sicher.
Als wir später am Abend in großer Stille in unserem Van einschlafen, wissen wir noch nicht, dass Schloss Bückeburg auch am nächsten Morgen Überraschungen für uns bereithalten wird. Vor dem launischen Wetter werden wir nämlich mitsamt Windhund in der warmen Schlossküche Unterschlupf finden, um auf das Rätsel der Currywurst und ein gutes Frühstücksbuffet zu treffen.
Festsaal in Schloss Bückeburg, (c) „Alte Schlossküche“, (c) Fürstliche Schlossverwaltung, Bückeburg
Text
Nina Süßmilch, Berlin
Service
Schloss Bückeburg
Schlossplatz 1
31675 Bückeburg
Telefon: 05722 – 9558 30
E-Mail: info@schloss-bueckeburg.de
www.schloss-bueckeburg.de
Kulinarische Möglichkeiten auf Schloss Bückeburg
Wo sich Currywurst und Schaumwein treffen
Bei dem Namen Schaumburg-Lippe perlt das Bild von Schaumwein an meine Bewusstseinsoberfläche. Dazu denke ich an volle Marzipanröschen und kleine Törtchen, überzogen mit feinem Zuckerguss. Ich denke ganz sicher nicht an einen Ort, wo angeblich die Currywurst erfunden wurde. Als überzeugte Wahlberlinerin stößt mir diese Behauptung natürlich auf, die ich da auf einem kleinen Plastikschild in der Schlossküche von Bückeburg, dem Familiensitz der Schaumburg-Lippes, lese. Hektisch befrage ich Wikipedia. Auch dort ordnet man die Currywurst Herta Heuwer zu, ansässig in Berlin-Charlottenburg. Sehr wahrscheinlich war noch Frank Friedrich beteiligt, ein Schlachter. Er erfand die Wurst ohne Darm und rührte wesentlich an der Saucenentwicklung für die Currywurst mit. Weit und breit kein Hinweis auf Schloss Bückeburg und einen seiner Köche aus dem Jahr 1946. Mein Weltbild rückt sich wieder gerade.
„Alte Schlossküche“, (c) Fürstliche Schlossverwaltung, Bückeburg
Wir sitzen an einem Maimorgen in eben jener Bückeburger Schlossküche und frühstücken auf unserer fünfwöchigen Rundreise durch Westeuropa zum letzten Mal. Wir sind müde, von Eindrücken und Erlebnissen gesättigt und warten nun auf den Kaffee. Da fällt mein Blick auf eben jenes kleine Plastikschildchen, das stolz die Erfindung der Currywurst verkündet. Die deutscheste aller Würste, die es zu internationaler Bekanntheit und in Berlin immerhin für einige Zeit zu einem eigenen Museum gebracht hat, wird auf Schloss Bückeburg unter anderem in einer extravaganten Kombination mit Schaumwein angeboten, eine Luxus-Variante der Currywurst also. Ich muss schmunzeln und bedanke mich für meinen Kaffee. Die Currywurst mit Sekt verzehren zu wollen, kommt für mich einem Sakrileg gleich (es gehören fettige Fritten und billiges, lauwarmes Bier zum eigentlichen Genuss, am besten stehend verzehrt bei Konopkes in der Schönhauser Allee). Und so trotte ich ohne Currywurst zum traditionellen Frühstücksbuffet, das für nahezu alle Gaumen etwas bereitstellt. Vom Müsli, über Antipastigemüse und traditionelle Käse-, Wurstvariationen bis hin zum Rührei und Bacon findet man fast alles in der alten Schlossküche. Der deutsche Frühstücksmagen wird zudem mit Konfitüre und Brötchen zufriedengestellt. Eine kleine Obstauswahl dazu, es fehlt eigentlich nur der Haferbrei.
700 Jahre Schlossgeschichte, und was Voltaire auf Bückeburg zu suchen hatte
Als wir am Abend zuvor unseren Van auf das Gelände des Schlossparkes lenkten, hatten wir zugegebenermaßen keine Ahnung, auf welche Perle wir hier westlich von Minden stoßen sollten. Wir gehören nicht zu den perfekten Urlaubsplanern. Vielmehr folgen wir einer groben Idee, mäandern dann glücklich durch die Umgebung und finden kleine Schätze wie eben Schloss Bückeburg. Von der A2 abgefahren, tauchten wir ein in grüne Hügellandschaften, die tief atmen ließen. Sie führten vorbei an alten Stallungen, die in roten Backsteingebäuden untergebracht waren. Der Platz neben dem Schloss, den wir über unsere Camper-App gefunden hatten und auf dem man für sieben Euro übernachten darf, ist von der besseren Sorte. Es gibt Elektrizität und leicht gedämmte Laternen. Es hatten sich bereits drei Wohnwagen an jeweils einer Ecke positioniert, als wir ankamen. Wir bezogen die vierte und gingen im Dämmerlicht auf Wanderschaft.
Perfekt für Nachtschwärmer, (c) Susanne Thiel, Berlin
Was ich in diesem Moment noch nicht kenne, mir aber anschließend grob anlese, ist die 700 Jahre alte Familiengeschichte der Schaumburg-Lippes. Sie unterscheidet sich eklatant von der meinigen (abgesehen vom damals recht häufig vergebenen und heute leicht archaisch anmutenden Männernamen „Ernst“). Im Mittelalter errichtet und konsequent als Befestigungsanlage ausgebaut, wurde der Schlossherr Ernst von Holstein-Schaumburg zu Zeiten der Renaissance zum Fürsten ernannt. Fröhlich expandierte er in das kleine Bückeburg, das dadurch neue Straßen und frühbarocke Fassaden erhielt.
Was mich aber besonders fasziniert, sind die Besuche von Voltaire. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde er hier für seinen Roman “Candide” inspiriert. Der französische Aufklärer kritisierte mit seiner bekannten Romansatire das optimistische Weltbild Gottfried Wilhelm Leibnitz‘: „Wenn dies die beste aller möglichen Welten ist, wie sind dann bloß die anderen?“ Seinen naiven Romanhelden Candide ließ er auf einem Schloss groß werden, für das Bückeburg Pate stand. Man nahm es ihm nicht übel. So scheint sich denn der Bogen von den französischen Nachbarn bis ins Heute zu spannen, während man dem „Savoir Vivre“ in der Brasserie „Lillys“ begegnen kann, auf die wir bei unserem Rundgang im Schlosspark gleich noch stoßen werden.
Blick auf die Rückfront von Schloss Bückeburg, (c) Susanne Thiel, Berlin
Ein liebevoller Blick zu den Nachbarn – „Savoir Vivre“ in Niedersachsen
Was wir allerdings bei unserem Spaziergang zuerst sehen, sind der ehemalige Marstall, eine kleine Koppel, ein Burggraben um das Schloss und all das eingefasst von einem sehr grünen Park mit vielen unterschiedlichen Baumarten. Das frühbarocke Portal, das auf das Gelände führt, übersehen wir trotz seines Prunks fast. Die ausladenden Baumwipfel der teilweise seltenen Baumarten übernehmen die Regie hier draußen und lenken den Blick ins frische Grün. Es riecht nach Frühling, und wir ignorieren geflissentlich die aufziehenden Wolken am Abendhimmel. Freudig überrascht finden wir am anderen Ende des Parks, ein wenig versteckt, „Lilly’s Brasserie“. Verwirrenderweise lädt man hier zum Fine Dining ein (als ob es die Franzosen nötig hätten, ihr fantastisches Essen zu kategorisieren). Eingehüllt in Decken sitzen wir draußen im Biergarten und haben die Wahl zwischen Exquisitem, wie französischen Schnecken oder Flammkuchen, und dem eher handfesten Burger. Wir waren gerade in Frankreich, wo ich mich tapfer durch ein Schneckengericht gemüht hatte, weshalb ich jetzt den Burger wähle. Die Fritten dazu sind absolut unschlagbar. Sie werden von einem sehr freundlichen Kellner serviert, der von unserer abendlichen Geschwätzigkeit ein bisschen überrascht scheint. Savoir vivre? Oui, absolument – wir folgen dem Motto der Brasserie liebend gern und denken „La vie est belle“. Hier draußen im abendlichen Dämmerlicht von Bückeburg ganz sicher.
Als wir später am Abend in großer Stille in unserem Van einschlafen, wissen wir noch nicht, dass Schloss Bückeburg auch am nächsten Morgen Überraschungen für uns bereithalten wird. Vor dem launischen Wetter werden wir nämlich mitsamt Windhund in der warmen Schlossküche Unterschlupf finden, um auf das Rätsel der Currywurst und ein gutes Frühstücksbuffet zu treffen.
Festsaal in Schloss Bückeburg, (c) „Alte Schlossküche“, (c) Fürstliche Schlossverwaltung, Bückeburg
Text
Nina Süßmilch, Berlin
Service
Schloss Bückeburg
Schlossplatz 1
31675 Bückeburg
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E-Mail: info@schloss-bueckeburg.de
www.schloss-bueckeburg.de