Das Deutsche Historische Museum ruft zur Blogparade #DHMDemokratie auf. Burgen und Schlösser werden in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings nicht gerade mit Demokratie in Verbindung gebracht. Weshalb also, fragt sich vielleicht mancher, meldet sich das Projekt „SchlossGenuss“ des Vereins „Schlösser und Gärten in Deutschland e. V.“ bei dieser Blogparade zu Wort? Die Lösung ist einfach: Zum einen haben sich die Zeiten geändert. In den Schlössern und Burgen der Bundesrepublik wird nicht mehr von „Gottes Gnaden“ regiert. Zum anderen wird ausgerechnet ein Schloss – und zwar ein Schloss, das Mitglied bei unserem Trägerverein ist – als Wiege der deutschen Demokratie bezeichnet, nämlich das Hambacher Schloss in der Pfalz.
Modernisierungsschub aus Frankreich
Im Grunde liegt dieses Schloss in einer Region, die wir heute mit kuscheligen Fachwerkhäusern, großen Kastanienwäldern und weitläufiger Rebenlandschaft assoziieren. Wein und köstliches Essen, Geselligkeit und Gastfreundschaft gehören untrennbar dazu. Ganz bestimmt bringen wir diese Region spontan nicht mit Revolution und Umsturz in Verbindung. Das ändert sich aber, wenn wir einen Blick in die Geschichte werfen. 1792 konnten die Truppen des revolutionären Frankreich bis an den Rhein vordringen. Vielerorts wurden sie von ihren Gegnern wieder zurückgedrängt, doch die linksrheinischen Territorien, darunter die Pfalz, blieben Teil Frankreichs. Neustadt wurde zur französischen Kantonshauptstadt. In diesen Territorien wurde die Souveränität des Volkes ausgerufen, Adelsprivilegien wurden abgeschafft. Ab 1804 galt der fortschrittliche „Code civile“ bzw. „Code Napoléon“, in dem die auf der Aufklärung basierenden Werte der Französischen Revolution rechtlich fixiert wurden. Auch in der Pfalz waren nun Grundrechte wie Gleichheit vor dem Gesetz, die Trennung von Kirche und Staat sowie Gewerbefreiheit rechtlich verbürgt. Die neue Ordnung brachte einen Modernisierungsschub für den sogenannten Rheinkreis, mit dem die rechtsrheinischen Gebiete nicht mehr mithalten konnten.
Die Bayern kommen
1815 wurde die Pfalz allerdings auf dem Wiener Kongress dem Königreich Bayern zugeschlagen. Die neuen Herrscher waren klug genug, die Errungenschaften der linksrheinischen Gebiete nicht restlos zurückzunehmen, was zu einer Sonderstellung der Pfalz führte. Hier galten zum Beispiel – anders als rechts des Rheins – weiterhin die Aufhebung der Grundherrschaft und die Gewerbefreiheit, auch die Verwaltungsreform blieb bestehen. Die Bevölkerung war trotzdem mit der neuen Situation unzufrieden und befürchtete die Rücknahme ihrer Rechte. Ihrem Unmut gab sie immer wieder Ausdruck.
Da politische Versammlungsfreiheit nicht auf der Liste der Sonderrechte stand, die die Pfälzer genossen, diese aber nicht einsahen, deshalb auf entsprechende Versammlungen zu verzichten, kamen sie auf eine subversive Idee. Sie tarnten die Versammlungen als „private“ Feste. Die Pfälzer waren schon damals Genussmenschen, vermutlich ist es deshalb den Bayern nicht aufgefallen, dass sie neben dem leiblichen Wohl noch ganz anderes nährten, nämlich den freien Meinungsaustausch und die Planung politischer Aktionen. Heute wird im Auftrag der Stiftung Hambacher Schloss diese kreative Idee als „Hambacher Fest-Bankett“ mit Schauspielern und genüsslichem Menü nachempfunden.
Hambacher Fest-Bankett ©Hambacher Schloss
Es brodelt
Zur Mitte des 19. Jahrhunderts hin gärte es in Europa immer stärker. Erneut wurde Frankreich zum Zentrum des Umsturzes. In der Julirevolution 1830 musste der feudale König Karl X. abdanken, der Bürgerkönig Louis-Philippe kam an die Macht. Dies und die Tatsache, dass Frankreich eine liberale Verfassung verabschiedete, bestärkte die Freiheitsbewegungen anderer europäischer Länder in ihren Forderungen. Der bayerische König Ludwig I. reagierte darauf reaktionär und verschärfte die Pressezensur. Der bayerische Landtag 1831 machte ihm dies allerdings wieder zunichte. Den pfälzischen Abgeordneten kam dabei eine wichtige Rolle zu, allen voran dem Juristen Friedrich Schüler.
Porträt von Friedrich Schüler, ca. 1840
1830 in den bayerischen Landtag gewählt, hatte er sich schnell zu einem der Anführer der liberalen Opposition entwickelt und war maßgeblich am Sturz des bayerischen Innenministers Schenck beteiligt gewesen, der die verschärfte Pressezensur wiedereinführen wollte. Im Oktober 1831 musste Schüler aus gesundheitlichen Gründen sein Mandat zurückgeben. Am 29. Januar 1832 beschloss man bei einem Festbankett, das ihm zu Ehren in Bubenhausen bei Zweibrücken gegeben wurde, den „Deutschen Press- und Vaterlandsverein“ („Pressverein“) zu gründen, um die liberale Presse zu unterstützen. Dieser wiederum plante ein Volksfest, das in Wahrheit eine politische Massenkundgebung sein sollte. Die Tatsache, dass ein Neustadter Bürger am 26. Mai 1832 ein Fest auf dem Hambacher Schloss abhalten wollte, um den Wittelsbachern zu huldigen, kam den Verantwortlichen des Pressvereins mehr als gelegen.
Von der Kästenburg zum Hambacher Schloss
Das Hambacher Schloss war zu jener Zeit eine Ruine. Die ursprüngliche Anlage war im 11. Jahrhundert als Kästenburg (Kastanienburg) von den Saliern erbaut worden. Durch Schenkung kam sie um die Wende zum 12. Jahrhundert an das Bistum Speyer. Umfangreiche Baumaßnahmen waren die Folge. In der ehemaligen Schutz- und Raubritterburg hielten sich mehrere Bischöfe für längere Zeit auf, verwaltet wurde sie von Burgmannen. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde die Burg, die inzwischen an Bedeutung verloren hatte, mehrmals umkämpft und schwer in Mitleidenschaft gezogen. 1797 musste sie das Speyerer Hochstift den neuen Herren überlassen, die sie dem Nationalgut einverleibte. Als sie 1815 an das Königreich Bayern fiel, versteigerten die neuen Landesherren die Ruine an 16 wohlhabende Bürger aus der Gegend. Nun erhielt die Kästenburg den uns bekannten Namen „Hambacher Schloss“. Zweimal schon, 1814 und 1831, war das Schloss Schauplatz politischer Kundgebungen geworden, bevor vom 27. bis 30. Mai hier das Hambacher Fest gefeiert wurde.
Geniale Umwidmungsaktion
Der Pressverein widmete oben genannten Aufruf des Neustadter Bürgers schlichtweg um und lud unter dem Motto „Der Deutschen Mai“ zu einem Fest auf das Schloss. 20.000 bis 30.000 Menschen folgten dem Aufruf. Obwohl die meisten aus dem Rheinkreis stammten, kamen auch viele aus weiter entfernten Gegenden, etwa aus Universitätsstädten wie Heidelberg, wo die Burschenschaften die Idee begeistert aufnahmen. Selbst aus Frankreich und Polen, wo heftige Freiheitskämpfe tobten, kamen Teilnehmer angereist. Auch Frauen beteiligten sich in großer Zahl an dem Fest, zu dem sie – anders als üblich – dezidiert eingeladen worden waren.
Zug zum Hambacher Fest. – Teilkolorierte Federzeichnung von 1832. Die Flaggen zeigen die damals so gewählten deutschen Landesfarben Gold-Rot-Schwarz.
Verpflegt wurden die Massen mittels Verpflegungsständen, für den ersten Tag war zudem ein großes Festmahl angesetzt, an dem aber nur ein kleiner Personenkreis teilnehmen konnte. Natürlich ging es nicht ums Festessen, sondern um zentrale politische Forderungen. An oberster Stelle stand die Forderung nach Errichtung eines deutschen Nationalstaats mit einer Verfassung, die die bürgerlichen Freiheiten garantierte. Darüber hinaus rief man zu einem „conföderierten Europa“ auf und zu Solidarität und Freundschaft mit gleichgesinnten Völkern, die ebenfalls um ihre Freiheit und Rechte kämpften.
Auf dem Weg zur Revolution
Die Folgen dieser Massenkundgebung waren, wie zu erwarten war: die restriktiven Gesetze wurden noch weiter verschärft, allen voran die Zensur der Presse und das Verbot politischer Vereinigungen und Versammlungen. Der bayerische König Ludwig I. schickte Truppen in die rheinischen Territorien, führende Mitglieder des Pressvereins wurden verhaftet. Der Prozess gegen sie endete dank des Urteils der Geschworenen am 16. August 1833 mit deren Freispruch.
Zwar rumorte es weiterhin da und dort, auch kam es 1833 zum Frankfurter Wachensturm, doch die Reaktion schien zu greifen, das Bürgertum sich ins biedermeierliche Privatleben zurückzuziehen. Dieser Zustand hielt einige Jahre an, schließlich aber brach der Unmut wieder auf, die alten Forderungen wurden erneut laut und mündeten in die deutschlandweite Revolution von 1848/49. Deutschland war nicht das einzige Land, das damals für demokratische Rechte auf die Barrikaden ging, das revolutionäre Geschehen ergriff große Teile Europas. Nach anfänglichen Erfolgen der Revolutionäre wurde der Aufstand schließlich blutig niedergeschlagen. Der Kampf um Demokratie und Freiheit sollte noch lange dauern und viele Opfer fordern, bis 1949 mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik ein stabiler rechtlicher Rahmen geschaffen wurde, der nun seit 70 Jahren die Menschen- und Grundrechte garantiert.
Projekt Maxburg
Das Hambacher Schloss wurde 1842 von einem „Zentral-Komitee“, das pfälzische Abgeordnete gewählt hatten, gekauft und dem bayerischen Kronprinzen und späteren König Maximilian II. zur Hochzeit geschenkt. Er nannte es in „Maxburg“ um und wollte die Ruine im Stil von Schloss Hohenschwangau umbauen lassen. Da ihm nicht genug Geld dafür bewilligt wurde, blieb die Anlage Ruine. Erst zum 150. Jahrestag des Hambacher Festes im Jahr 1982 sollte sich das ändern. Der Landkreis Bad Dürkheim, zu dem das Hambacher Schloss nun gehörte, das Land Rheinland-Pfalz und die Bundesrepublik ließen es grundlegend sanieren und wiederaufbauen. Mit einer ersten Dauerausstellung wurde es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zwischen 2006 und 2008 kam es zu einer weiteren Renovierung, dabei wurde auch die Ausstellung erneuert.
Blick zurück und nach vorn
„Hinauf, hinauf zum Schloss!“, wie die Ausstellung seitdem heißt, legt zwar das Hauptaugenmerk auf das Hambacher Fest, geht aber zugleich auf die Ereignisse im Vorfeld und die Nachwirkungen ein. Letztlich zeigt sie den „langen Weg zur Demokratie und nach Europa“, so der Titel der letzten Station. Rund 100.000 Besucher kommen jährlich in die Ausstellung, um sich über diesen langen Weg und die Rolle des Hambacher Schlosses zu informieren.
Das Hambacher Schloss, das seit 2002 von einer Stiftung getragen wird, kommt nicht nur mit der Ausstellung, sondern auch mit zahlreichen Veranstaltungen seinem Bildungsauftrag nach. So gibt es die Hambacher Gespräche, eine Reihe, die vom Frank-Loeb-Institut an der Universität Landau in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz und in Kooperation mit der Stiftung Hambacher Schloss veranstaltet wird. Im Zentrum stehen gesellschaftspolitisch relevante Themen unserer Zeit, die von politischen und wissenschaftlichen Akteuren beleuchtet werden. Für das Publikum besteht die Möglichkeit, persönlich mit den Diskutanten*innen ins Gespräch zu kommen und offene Fragen direkt zu klären. Das Leitthema der Hambacher Gespräche 2019 lautet ZUKUNFT 4.0.
Eine zweite politische Wortreihe ist das Demokratie-Forum Hambacher Schloss. Hierzu laden die Stiftung und der SWR interessierte Bürger*innen und Repräsentanten*innen aus allen gesellschaftlichen Bereichen ein, um in der Tradition des Hambacher Fests und dem hiermit verbundenen Geist der Bürgerrechte miteinander zu diskutieren. Politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen von grundlegender Bedeutung werden aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln aufgegriffen. Im Zentrum der kontroversen Debatten steht der „Geist der Gegenwart“ und die zentrale Frage, welche Werte, Ideen und Konzepte künftig unsere Gesellschaft noch zusammenhalten. Das kritische Bürgerforum bietet eine Bühne für substanzielle Diskurse und fairen Konflikt-Austausch. Moderiert wird die Reihe von Prof. Dr. Dr. Michel Friedman.
Schloss Hambach, (c) Stiftung Hambacher Schloss, Foto: Benner
Weiter nach Europa
Die Europäische Kommission erklärte das Schloss 2015 zum Europäischen Kulturerbe und verlieh ihm das Europäische Kulturerbe Siegel. Es stehe „symbol- und beispielhaft für die europäische Einigung sowie für die Ideale und die Geschichte Europas und der Europäischen Union“. Aus der nationalen Erinnerungsstätte und der „Wiege der deutschen Demokratie“ ist also eine europäische Kulturerbestätte geworden. In einer Zeit, in der die politischen Grundrechte seit 70 Jahre garantiert sind, geht das Hambacher Schloss damit einen Weg, auf dem nicht nur einem Meilenstein im Kampf um eben diese Grundrechte gedacht wird. Gleichzeitig sieht sie es als ihren Auftrag, die Bedeutung dieser Rechte aufzuzeigen, für die unzählige Menschen ihre Freiheit und ihr Leben opferten. Zu guter Letzt trägt sie mit ihrem Programm dazu bei, dass heute die ursprüngliche Forderung der Festteilnehmer nach Einheit von der nationalen Ebene auf die europäische übertragen wird. Konsequenterweise wird das gern bei einem Glas Wein gemacht, auch Begegnungen mit Spitzenwinzern aus der Region sind häufig, denn Fest bleibt Fest bei den Pfälzern.
Text
Andrea Hahn | Text & Presse
#DHMDemokratie: Das Hambacher Schloss als Wiege der Demokratie
Das Deutsche Historische Museum ruft zur Blogparade #DHMDemokratie auf. Burgen und Schlösser werden in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings nicht gerade mit Demokratie in Verbindung gebracht. Weshalb also, fragt sich vielleicht mancher, meldet sich das Projekt „SchlossGenuss“ des Vereins „Schlösser und Gärten in Deutschland e. V.“ bei dieser Blogparade zu Wort? Die Lösung ist einfach: Zum einen haben sich die Zeiten geändert. In den Schlössern und Burgen der Bundesrepublik wird nicht mehr von „Gottes Gnaden“ regiert. Zum anderen wird ausgerechnet ein Schloss – und zwar ein Schloss, das Mitglied bei unserem Trägerverein ist – als Wiege der deutschen Demokratie bezeichnet, nämlich das Hambacher Schloss in der Pfalz.
Modernisierungsschub aus Frankreich
Im Grunde liegt dieses Schloss in einer Region, die wir heute mit kuscheligen Fachwerkhäusern, großen Kastanienwäldern und weitläufiger Rebenlandschaft assoziieren. Wein und köstliches Essen, Geselligkeit und Gastfreundschaft gehören untrennbar dazu. Ganz bestimmt bringen wir diese Region spontan nicht mit Revolution und Umsturz in Verbindung. Das ändert sich aber, wenn wir einen Blick in die Geschichte werfen. 1792 konnten die Truppen des revolutionären Frankreich bis an den Rhein vordringen. Vielerorts wurden sie von ihren Gegnern wieder zurückgedrängt, doch die linksrheinischen Territorien, darunter die Pfalz, blieben Teil Frankreichs. Neustadt wurde zur französischen Kantonshauptstadt. In diesen Territorien wurde die Souveränität des Volkes ausgerufen, Adelsprivilegien wurden abgeschafft. Ab 1804 galt der fortschrittliche „Code civile“ bzw. „Code Napoléon“, in dem die auf der Aufklärung basierenden Werte der Französischen Revolution rechtlich fixiert wurden. Auch in der Pfalz waren nun Grundrechte wie Gleichheit vor dem Gesetz, die Trennung von Kirche und Staat sowie Gewerbefreiheit rechtlich verbürgt. Die neue Ordnung brachte einen Modernisierungsschub für den sogenannten Rheinkreis, mit dem die rechtsrheinischen Gebiete nicht mehr mithalten konnten.
Die Bayern kommen
1815 wurde die Pfalz allerdings auf dem Wiener Kongress dem Königreich Bayern zugeschlagen. Die neuen Herrscher waren klug genug, die Errungenschaften der linksrheinischen Gebiete nicht restlos zurückzunehmen, was zu einer Sonderstellung der Pfalz führte. Hier galten zum Beispiel – anders als rechts des Rheins – weiterhin die Aufhebung der Grundherrschaft und die Gewerbefreiheit, auch die Verwaltungsreform blieb bestehen. Die Bevölkerung war trotzdem mit der neuen Situation unzufrieden und befürchtete die Rücknahme ihrer Rechte. Ihrem Unmut gab sie immer wieder Ausdruck.
Da politische Versammlungsfreiheit nicht auf der Liste der Sonderrechte stand, die die Pfälzer genossen, diese aber nicht einsahen, deshalb auf entsprechende Versammlungen zu verzichten, kamen sie auf eine subversive Idee. Sie tarnten die Versammlungen als „private“ Feste. Die Pfälzer waren schon damals Genussmenschen, vermutlich ist es deshalb den Bayern nicht aufgefallen, dass sie neben dem leiblichen Wohl noch ganz anderes nährten, nämlich den freien Meinungsaustausch und die Planung politischer Aktionen. Heute wird im Auftrag der Stiftung Hambacher Schloss diese kreative Idee als „Hambacher Fest-Bankett“ mit Schauspielern und genüsslichem Menü nachempfunden.
Hambacher Fest-Bankett ©Hambacher Schloss
Es brodelt
Zur Mitte des 19. Jahrhunderts hin gärte es in Europa immer stärker. Erneut wurde Frankreich zum Zentrum des Umsturzes. In der Julirevolution 1830 musste der feudale König Karl X. abdanken, der Bürgerkönig Louis-Philippe kam an die Macht. Dies und die Tatsache, dass Frankreich eine liberale Verfassung verabschiedete, bestärkte die Freiheitsbewegungen anderer europäischer Länder in ihren Forderungen. Der bayerische König Ludwig I. reagierte darauf reaktionär und verschärfte die Pressezensur. Der bayerische Landtag 1831 machte ihm dies allerdings wieder zunichte. Den pfälzischen Abgeordneten kam dabei eine wichtige Rolle zu, allen voran dem Juristen Friedrich Schüler.
Porträt von Friedrich Schüler, ca. 1840
1830 in den bayerischen Landtag gewählt, hatte er sich schnell zu einem der Anführer der liberalen Opposition entwickelt und war maßgeblich am Sturz des bayerischen Innenministers Schenck beteiligt gewesen, der die verschärfte Pressezensur wiedereinführen wollte. Im Oktober 1831 musste Schüler aus gesundheitlichen Gründen sein Mandat zurückgeben. Am 29. Januar 1832 beschloss man bei einem Festbankett, das ihm zu Ehren in Bubenhausen bei Zweibrücken gegeben wurde, den „Deutschen Press- und Vaterlandsverein“ („Pressverein“) zu gründen, um die liberale Presse zu unterstützen. Dieser wiederum plante ein Volksfest, das in Wahrheit eine politische Massenkundgebung sein sollte. Die Tatsache, dass ein Neustadter Bürger am 26. Mai 1832 ein Fest auf dem Hambacher Schloss abhalten wollte, um den Wittelsbachern zu huldigen, kam den Verantwortlichen des Pressvereins mehr als gelegen.
Von der Kästenburg zum Hambacher Schloss
Das Hambacher Schloss war zu jener Zeit eine Ruine. Die ursprüngliche Anlage war im 11. Jahrhundert als Kästenburg (Kastanienburg) von den Saliern erbaut worden. Durch Schenkung kam sie um die Wende zum 12. Jahrhundert an das Bistum Speyer. Umfangreiche Baumaßnahmen waren die Folge. In der ehemaligen Schutz- und Raubritterburg hielten sich mehrere Bischöfe für längere Zeit auf, verwaltet wurde sie von Burgmannen. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde die Burg, die inzwischen an Bedeutung verloren hatte, mehrmals umkämpft und schwer in Mitleidenschaft gezogen. 1797 musste sie das Speyerer Hochstift den neuen Herren überlassen, die sie dem Nationalgut einverleibte. Als sie 1815 an das Königreich Bayern fiel, versteigerten die neuen Landesherren die Ruine an 16 wohlhabende Bürger aus der Gegend. Nun erhielt die Kästenburg den uns bekannten Namen „Hambacher Schloss“. Zweimal schon, 1814 und 1831, war das Schloss Schauplatz politischer Kundgebungen geworden, bevor vom 27. bis 30. Mai hier das Hambacher Fest gefeiert wurde.
Geniale Umwidmungsaktion
Der Pressverein widmete oben genannten Aufruf des Neustadter Bürgers schlichtweg um und lud unter dem Motto „Der Deutschen Mai“ zu einem Fest auf das Schloss. 20.000 bis 30.000 Menschen folgten dem Aufruf. Obwohl die meisten aus dem Rheinkreis stammten, kamen auch viele aus weiter entfernten Gegenden, etwa aus Universitätsstädten wie Heidelberg, wo die Burschenschaften die Idee begeistert aufnahmen. Selbst aus Frankreich und Polen, wo heftige Freiheitskämpfe tobten, kamen Teilnehmer angereist. Auch Frauen beteiligten sich in großer Zahl an dem Fest, zu dem sie – anders als üblich – dezidiert eingeladen worden waren.
Zug zum Hambacher Fest. – Teilkolorierte Federzeichnung von 1832. Die Flaggen zeigen die damals so gewählten deutschen Landesfarben Gold-Rot-Schwarz.
Verpflegt wurden die Massen mittels Verpflegungsständen, für den ersten Tag war zudem ein großes Festmahl angesetzt, an dem aber nur ein kleiner Personenkreis teilnehmen konnte. Natürlich ging es nicht ums Festessen, sondern um zentrale politische Forderungen. An oberster Stelle stand die Forderung nach Errichtung eines deutschen Nationalstaats mit einer Verfassung, die die bürgerlichen Freiheiten garantierte. Darüber hinaus rief man zu einem „conföderierten Europa“ auf und zu Solidarität und Freundschaft mit gleichgesinnten Völkern, die ebenfalls um ihre Freiheit und Rechte kämpften.
Auf dem Weg zur Revolution
Die Folgen dieser Massenkundgebung waren, wie zu erwarten war: die restriktiven Gesetze wurden noch weiter verschärft, allen voran die Zensur der Presse und das Verbot politischer Vereinigungen und Versammlungen. Der bayerische König Ludwig I. schickte Truppen in die rheinischen Territorien, führende Mitglieder des Pressvereins wurden verhaftet. Der Prozess gegen sie endete dank des Urteils der Geschworenen am 16. August 1833 mit deren Freispruch.
Zwar rumorte es weiterhin da und dort, auch kam es 1833 zum Frankfurter Wachensturm, doch die Reaktion schien zu greifen, das Bürgertum sich ins biedermeierliche Privatleben zurückzuziehen. Dieser Zustand hielt einige Jahre an, schließlich aber brach der Unmut wieder auf, die alten Forderungen wurden erneut laut und mündeten in die deutschlandweite Revolution von 1848/49. Deutschland war nicht das einzige Land, das damals für demokratische Rechte auf die Barrikaden ging, das revolutionäre Geschehen ergriff große Teile Europas. Nach anfänglichen Erfolgen der Revolutionäre wurde der Aufstand schließlich blutig niedergeschlagen. Der Kampf um Demokratie und Freiheit sollte noch lange dauern und viele Opfer fordern, bis 1949 mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik ein stabiler rechtlicher Rahmen geschaffen wurde, der nun seit 70 Jahren die Menschen- und Grundrechte garantiert.
Projekt Maxburg
Das Hambacher Schloss wurde 1842 von einem „Zentral-Komitee“, das pfälzische Abgeordnete gewählt hatten, gekauft und dem bayerischen Kronprinzen und späteren König Maximilian II. zur Hochzeit geschenkt. Er nannte es in „Maxburg“ um und wollte die Ruine im Stil von Schloss Hohenschwangau umbauen lassen. Da ihm nicht genug Geld dafür bewilligt wurde, blieb die Anlage Ruine. Erst zum 150. Jahrestag des Hambacher Festes im Jahr 1982 sollte sich das ändern. Der Landkreis Bad Dürkheim, zu dem das Hambacher Schloss nun gehörte, das Land Rheinland-Pfalz und die Bundesrepublik ließen es grundlegend sanieren und wiederaufbauen. Mit einer ersten Dauerausstellung wurde es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zwischen 2006 und 2008 kam es zu einer weiteren Renovierung, dabei wurde auch die Ausstellung erneuert.
Blick zurück und nach vorn
„Hinauf, hinauf zum Schloss!“, wie die Ausstellung seitdem heißt, legt zwar das Hauptaugenmerk auf das Hambacher Fest, geht aber zugleich auf die Ereignisse im Vorfeld und die Nachwirkungen ein. Letztlich zeigt sie den „langen Weg zur Demokratie und nach Europa“, so der Titel der letzten Station. Rund 100.000 Besucher kommen jährlich in die Ausstellung, um sich über diesen langen Weg und die Rolle des Hambacher Schlosses zu informieren.
Das Hambacher Schloss, das seit 2002 von einer Stiftung getragen wird, kommt nicht nur mit der Ausstellung, sondern auch mit zahlreichen Veranstaltungen seinem Bildungsauftrag nach. So gibt es die Hambacher Gespräche, eine Reihe, die vom Frank-Loeb-Institut an der Universität Landau in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz und in Kooperation mit der Stiftung Hambacher Schloss veranstaltet wird. Im Zentrum stehen gesellschaftspolitisch relevante Themen unserer Zeit, die von politischen und wissenschaftlichen Akteuren beleuchtet werden. Für das Publikum besteht die Möglichkeit, persönlich mit den Diskutanten*innen ins Gespräch zu kommen und offene Fragen direkt zu klären. Das Leitthema der Hambacher Gespräche 2019 lautet ZUKUNFT 4.0.
Eine zweite politische Wortreihe ist das Demokratie-Forum Hambacher Schloss. Hierzu laden die Stiftung und der SWR interessierte Bürger*innen und Repräsentanten*innen aus allen gesellschaftlichen Bereichen ein, um in der Tradition des Hambacher Fests und dem hiermit verbundenen Geist der Bürgerrechte miteinander zu diskutieren. Politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen von grundlegender Bedeutung werden aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln aufgegriffen. Im Zentrum der kontroversen Debatten steht der „Geist der Gegenwart“ und die zentrale Frage, welche Werte, Ideen und Konzepte künftig unsere Gesellschaft noch zusammenhalten. Das kritische Bürgerforum bietet eine Bühne für substanzielle Diskurse und fairen Konflikt-Austausch. Moderiert wird die Reihe von Prof. Dr. Dr. Michel Friedman.
Schloss Hambach, (c) Stiftung Hambacher Schloss, Foto: Benner
Weiter nach Europa
Die Europäische Kommission erklärte das Schloss 2015 zum Europäischen Kulturerbe und verlieh ihm das Europäische Kulturerbe Siegel. Es stehe „symbol- und beispielhaft für die europäische Einigung sowie für die Ideale und die Geschichte Europas und der Europäischen Union“. Aus der nationalen Erinnerungsstätte und der „Wiege der deutschen Demokratie“ ist also eine europäische Kulturerbestätte geworden. In einer Zeit, in der die politischen Grundrechte seit 70 Jahre garantiert sind, geht das Hambacher Schloss damit einen Weg, auf dem nicht nur einem Meilenstein im Kampf um eben diese Grundrechte gedacht wird. Gleichzeitig sieht sie es als ihren Auftrag, die Bedeutung dieser Rechte aufzuzeigen, für die unzählige Menschen ihre Freiheit und ihr Leben opferten. Zu guter Letzt trägt sie mit ihrem Programm dazu bei, dass heute die ursprüngliche Forderung der Festteilnehmer nach Einheit von der nationalen Ebene auf die europäische übertragen wird. Konsequenterweise wird das gern bei einem Glas Wein gemacht, auch Begegnungen mit Spitzenwinzern aus der Region sind häufig, denn Fest bleibt Fest bei den Pfälzern.
Text
Andrea Hahn | Text & Presse