Er war nicht das, was man sich gemeinhin unter dem typischen barocken Herrscher vorstellt und so sah auch seine Tafelkultur nicht ganz so prachtvoll aus, wie man vielleicht meinen könnte. Überhaupt war dieser Herzog eher der sparsame und arbeitsame Typ. Die Rede ist von Herzog Ernst dem Frommen von Sachsen-Gotha (1601-1675), jenem Mann, der nicht nur durch seine Sparsamkeit, sondern vor allem durch seine Frömmigkeit und durch sein neu errichtetes Schloss berühmt wurde.
Grafik aus dem Klebeband Nr. 1 der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek Arolsen Motiv: Ernst I. von Sachsen-Gotha-Altenburg; https://digi.ub.uni-heidelberg.de/fwhb/klebeband1
Friedenstein nannte er dieses Schloss in seiner Residenzstadt Gotha. Nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges, die auch die alte Residenz Burg Grimmenstein zerstörten, wollte er ein Zeichen setzen, deshalb gab er ein neues Schloss in Auftrag. Errichtet wurde es zwischen 1643 und 1654 von Caspar Vogel (um 1600-1663) und Andreas Rudolph (1601-1679). Und dieses neue Schloss war ein Multitalent, denn hier sollte nicht nur die herzogliche Familie residieren, hier gab es auch Bereiche für die Verwaltung, eine Münzstätte, ein Zeughaus, eine Kirche und Wirtschaftsräume. Ein All-in-One sozusagen in Form einer vierflügeligen Schlossanlage frühbarocken Stils.
Kupferstich von Schloss Friedenstein aus F. Rudolphi, Gotha Diplomatica, 1717, (c) SSFG
Veit Ludwig Seckendorff – ein Hofrat auf Diät
So sehr aber der Schlossbau barock war, so wenig war es erstaunlicherweise die Lebensweise des Herzogs, der es hatte errichten lassen. Einen guten Einblick in seine Lebensgewohnheiten geben uns nicht nur die zahlreichen Selbstzeugnisse, die er hinterlassen hat, sondern vor allem auch die Schriften seines Hofrats: Veit Ludwig Seckendorff (1626-1692). Berühmt wurde der durch seinen „Teutschen Fürsten-Staat“, ein Handbuch, das vielen Herrschern als Leitfaden für die Regierung eines Landes dienen sollte.
Maßhalten hieß das Credo von Hofrat und Herzog und zwar in allen Bereichen, so auch beim Essen. „Durch ein ordentliches und mäßiges leben und gute diät“ sollte sich der Herrscher auszeichnen, fand Seckendorff und empfahl dazu auch „gelehrte, gewissenhaffte und treue ärzte, auch fleißige und treue diener, die mit ihrer [des Herzogs] speiß und tranck, kleidung und anderer leibes-wartungen“ getreulich und sorgsam umgehen sollten.
Zu der „diät“ sollte auch gehören, dass man auf die genauen Zeiten der Mahlzeiten achtete, sie also zum Beispiel nicht zu spät am Abend zu sich nahm oder zu kurz hintereinander, denn „dies schwächet nicht allein die lebens-kräffte, sondern es schadet auch an allen übrigen regiments-geschäfften“. Irgendwie klingt das ziemlich modern, fast so wie die Ernährungstipps, die wir heute bekommen. Und irgendwie scheint auch etwas dran zu sein an diesen Tipps, der Herzog jedenfalls hielt sich daran – soweit man weiß – und wurde immerhin fast 74 Jahre alt.
Veit Ludwig von Seckendorff, Quelle: Wikipedia
Tägliche Mahlzeiten am Hof Ernst dem Frommen
Wie es so gehandhabt wurde mit dem alltäglichen Essen am Hof des Herzogs Ernst, darüber sind wir dank seiner Hofordnung vom 1. Februar 1648 ziemlich gut informiert: So sollte die erste Speisung der Hofgesellschaft um „drey viertel auf Eilff“ erfolgen und zwar sommers wie winters und die Abendspeisung um „drey viertel aus sechs Uhr“. Das wären heute wohl eher Krankenhauszeiten, aber man stand damals halt auch früher auf. Eine Viertelstunde zuvor hatten sich bereits alle bei Hof einzufinden und auf das „Tafel blasen“ zu warten, ein Signal, das bedeutete, das nun alle gesittet und ordentlich in Richtung der Hofstube aufzubrechen hätten. Die Pagen und Lakaien sollten sich dann vor der Küche einfinden, um die Speisen und Getränke in Empfang zu nehmen, die sie auftragen sollten.
Der Hofmeister begab sich währenddessen mit einigen Pagen, Lakaien und Junkern vor die herzoglichen Gemächer, um den hohen Herrn standesgemäß zum Essen zu geleiten und ihm das Wasser zu reichen mit dem er seine Hände wusch.
Aufgabe des Hofmeisters war es auch während der Speise auf Ruhe und Ordnung zu achten und dafür zu sorgen, dass alle ihren Dienst in gehöriger Form und „Christl. Andacht“ verrichteten. Außerdem war es seine Aufgabe, die Tisch- bzw. Sitzordnung zu überwachen. Insgesamt gab es sechs verschiedene Tafeln, wie Veit Ludwig Seckendorff berichtet: Die erste war die fürstliche Tafel. Hier saß Herzog Ernst mit seiner Familie, adeligen Hofdamen und hochrangigen Gästen. An der Marschallstafel fanden sich der Hofmarschall und andere hohe Bediente, wie etwa der Kämmerer, der Stallmeister und die Hofjunker ein. Zu ihnen wurden auch die nicht ganz so hochrangigen Gäste gesetzt. Der nächste Tisch war den Kindern und ihren Hofmeistern, Lehrern und Hofdamen vorbehalten. Darauf folgten der Kammerdienertisch, der Tisch für die Pagen und Lakaien und zum guten Schluss der Tisch für alle übrigen Hofbedienten.
Der Hofstaat
Das klingt nicht nur viel, das waren in der Tat auch reichlich viele Personen. Dabei hatte Herzog Ernst I. bei seiner Hochzeit im Jahr 1636 mit einem kleinen Hofstaat von nur 34 Personen angefangen. Elf Jahre später waren die Verhältnisse immer noch recht bescheiden und der Hofstaat war auf 47 Menschen angewachsen. 1650 waren es dann 71 Personen, und am Ende seiner Regierungszeit in den 1670er-Jahren standen ihm dann sage und schreibe 140 Personen für die alltäglichen Aufgaben bei Hof zur Verfügung. Was sich hier nach einer schon enormen Zahl anhört ist allerdings tatsächlich ein eher kleiner Hofstaat. Um ein Gefühl für die Anzahl der Menschen an einem solchen Hof zu bekommen hier einmal zum Vergleich ein paar Zahlen: 1559 gab es am Hof in Bayreuth 192 Personen, Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Bayern (1662-1726) hatte 1683 schon einen Reisehofstaat von 455 Personen. Ähnlich groß war auch der Hofstaat von August dem Starken (1670-1733), der 1701 aus gut 460 Personen bestand und dessen Besoldung allein 168.571 Taler verschlang. Man sieht also: eigentlich war Herzog Ernst tatsächlich ein eher bescheidener Regent. Zu seiner Zeit verschlangen der Hofstaat und sein Unterhalt nur etwa 28 Prozent des Staatshaushalts, normal waren eher 40 Prozent.
Kupferstich der Schlosskirche aus F. Rudolphi, Gotha Diplomatica, 1717 (c) SSFG
Luxuriöse Festessen und barocke Prachtentfaltung suchte man bei Ernst dem Frommen eher vergeblich. Selbst das Theater war bei ihm nicht zur reinen Unterhaltung und zum Amüsement da, sondern zur moralischen Unterrichtung seiner Bedienten, Gäste und Landeskinder. Anstatt viel Geld in teuren Schmuck und Kleider oder Feste zu investieren, gab er es lieber für die Wissenschaft aus, so wie es sein Hofrat Seckendorff vorgeschlagen hatte; er sah sich als sorgenden Hausvater und Leitbild für seine Untertanen und seinen Hof als Musterhaushalt.
Literatur
Veit Ludwig Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat, Jena 1737
Friedrich Carl von Moser: Teutsches Hof-Recht in zwölf Büchern, Frankfurt-Leipzig 1761
Andreas Klinger: Der Gothaer Fürstenstaat. Herrschaft, Konfession und Dynastie unter Herzog Ernst dem Frommen, Husum 2002
Weblinks
Schloss Friedenstein und Barockes Universum
Text
Anja Kircher-Kannemann
Schloss Friedenstein und die Höfische Tafelkultur zwischen Luxus und Diät
Er war nicht das, was man sich gemeinhin unter dem typischen barocken Herrscher vorstellt und so sah auch seine Tafelkultur nicht ganz so prachtvoll aus, wie man vielleicht meinen könnte. Überhaupt war dieser Herzog eher der sparsame und arbeitsame Typ. Die Rede ist von Herzog Ernst dem Frommen von Sachsen-Gotha (1601-1675), jenem Mann, der nicht nur durch seine Sparsamkeit, sondern vor allem durch seine Frömmigkeit und durch sein neu errichtetes Schloss berühmt wurde.
Grafik aus dem Klebeband Nr. 1 der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek Arolsen Motiv: Ernst I. von Sachsen-Gotha-Altenburg; https://digi.ub.uni-heidelberg.de/fwhb/klebeband1
Friedenstein nannte er dieses Schloss in seiner Residenzstadt Gotha. Nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges, die auch die alte Residenz Burg Grimmenstein zerstörten, wollte er ein Zeichen setzen, deshalb gab er ein neues Schloss in Auftrag. Errichtet wurde es zwischen 1643 und 1654 von Caspar Vogel (um 1600-1663) und Andreas Rudolph (1601-1679). Und dieses neue Schloss war ein Multitalent, denn hier sollte nicht nur die herzogliche Familie residieren, hier gab es auch Bereiche für die Verwaltung, eine Münzstätte, ein Zeughaus, eine Kirche und Wirtschaftsräume. Ein All-in-One sozusagen in Form einer vierflügeligen Schlossanlage frühbarocken Stils.
Kupferstich von Schloss Friedenstein aus F. Rudolphi, Gotha Diplomatica, 1717, (c) SSFG
Veit Ludwig Seckendorff – ein Hofrat auf Diät
So sehr aber der Schlossbau barock war, so wenig war es erstaunlicherweise die Lebensweise des Herzogs, der es hatte errichten lassen. Einen guten Einblick in seine Lebensgewohnheiten geben uns nicht nur die zahlreichen Selbstzeugnisse, die er hinterlassen hat, sondern vor allem auch die Schriften seines Hofrats: Veit Ludwig Seckendorff (1626-1692). Berühmt wurde der durch seinen „Teutschen Fürsten-Staat“, ein Handbuch, das vielen Herrschern als Leitfaden für die Regierung eines Landes dienen sollte.
Maßhalten hieß das Credo von Hofrat und Herzog und zwar in allen Bereichen, so auch beim Essen. „Durch ein ordentliches und mäßiges leben und gute diät“ sollte sich der Herrscher auszeichnen, fand Seckendorff und empfahl dazu auch „gelehrte, gewissenhaffte und treue ärzte, auch fleißige und treue diener, die mit ihrer [des Herzogs] speiß und tranck, kleidung und anderer leibes-wartungen“ getreulich und sorgsam umgehen sollten.
Zu der „diät“ sollte auch gehören, dass man auf die genauen Zeiten der Mahlzeiten achtete, sie also zum Beispiel nicht zu spät am Abend zu sich nahm oder zu kurz hintereinander, denn „dies schwächet nicht allein die lebens-kräffte, sondern es schadet auch an allen übrigen regiments-geschäfften“. Irgendwie klingt das ziemlich modern, fast so wie die Ernährungstipps, die wir heute bekommen. Und irgendwie scheint auch etwas dran zu sein an diesen Tipps, der Herzog jedenfalls hielt sich daran – soweit man weiß – und wurde immerhin fast 74 Jahre alt.
Veit Ludwig von Seckendorff, Quelle: Wikipedia
Tägliche Mahlzeiten am Hof Ernst dem Frommen
Wie es so gehandhabt wurde mit dem alltäglichen Essen am Hof des Herzogs Ernst, darüber sind wir dank seiner Hofordnung vom 1. Februar 1648 ziemlich gut informiert: So sollte die erste Speisung der Hofgesellschaft um „drey viertel auf Eilff“ erfolgen und zwar sommers wie winters und die Abendspeisung um „drey viertel aus sechs Uhr“. Das wären heute wohl eher Krankenhauszeiten, aber man stand damals halt auch früher auf. Eine Viertelstunde zuvor hatten sich bereits alle bei Hof einzufinden und auf das „Tafel blasen“ zu warten, ein Signal, das bedeutete, das nun alle gesittet und ordentlich in Richtung der Hofstube aufzubrechen hätten. Die Pagen und Lakaien sollten sich dann vor der Küche einfinden, um die Speisen und Getränke in Empfang zu nehmen, die sie auftragen sollten.
Der Hofmeister begab sich währenddessen mit einigen Pagen, Lakaien und Junkern vor die herzoglichen Gemächer, um den hohen Herrn standesgemäß zum Essen zu geleiten und ihm das Wasser zu reichen mit dem er seine Hände wusch.
Aufgabe des Hofmeisters war es auch während der Speise auf Ruhe und Ordnung zu achten und dafür zu sorgen, dass alle ihren Dienst in gehöriger Form und „Christl. Andacht“ verrichteten. Außerdem war es seine Aufgabe, die Tisch- bzw. Sitzordnung zu überwachen. Insgesamt gab es sechs verschiedene Tafeln, wie Veit Ludwig Seckendorff berichtet: Die erste war die fürstliche Tafel. Hier saß Herzog Ernst mit seiner Familie, adeligen Hofdamen und hochrangigen Gästen. An der Marschallstafel fanden sich der Hofmarschall und andere hohe Bediente, wie etwa der Kämmerer, der Stallmeister und die Hofjunker ein. Zu ihnen wurden auch die nicht ganz so hochrangigen Gäste gesetzt. Der nächste Tisch war den Kindern und ihren Hofmeistern, Lehrern und Hofdamen vorbehalten. Darauf folgten der Kammerdienertisch, der Tisch für die Pagen und Lakaien und zum guten Schluss der Tisch für alle übrigen Hofbedienten.
Der Hofstaat
Das klingt nicht nur viel, das waren in der Tat auch reichlich viele Personen. Dabei hatte Herzog Ernst I. bei seiner Hochzeit im Jahr 1636 mit einem kleinen Hofstaat von nur 34 Personen angefangen. Elf Jahre später waren die Verhältnisse immer noch recht bescheiden und der Hofstaat war auf 47 Menschen angewachsen. 1650 waren es dann 71 Personen, und am Ende seiner Regierungszeit in den 1670er-Jahren standen ihm dann sage und schreibe 140 Personen für die alltäglichen Aufgaben bei Hof zur Verfügung. Was sich hier nach einer schon enormen Zahl anhört ist allerdings tatsächlich ein eher kleiner Hofstaat. Um ein Gefühl für die Anzahl der Menschen an einem solchen Hof zu bekommen hier einmal zum Vergleich ein paar Zahlen: 1559 gab es am Hof in Bayreuth 192 Personen, Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Bayern (1662-1726) hatte 1683 schon einen Reisehofstaat von 455 Personen. Ähnlich groß war auch der Hofstaat von August dem Starken (1670-1733), der 1701 aus gut 460 Personen bestand und dessen Besoldung allein 168.571 Taler verschlang. Man sieht also: eigentlich war Herzog Ernst tatsächlich ein eher bescheidener Regent. Zu seiner Zeit verschlangen der Hofstaat und sein Unterhalt nur etwa 28 Prozent des Staatshaushalts, normal waren eher 40 Prozent.
Kupferstich der Schlosskirche aus F. Rudolphi, Gotha Diplomatica, 1717 (c) SSFG
Luxuriöse Festessen und barocke Prachtentfaltung suchte man bei Ernst dem Frommen eher vergeblich. Selbst das Theater war bei ihm nicht zur reinen Unterhaltung und zum Amüsement da, sondern zur moralischen Unterrichtung seiner Bedienten, Gäste und Landeskinder. Anstatt viel Geld in teuren Schmuck und Kleider oder Feste zu investieren, gab er es lieber für die Wissenschaft aus, so wie es sein Hofrat Seckendorff vorgeschlagen hatte; er sah sich als sorgenden Hausvater und Leitbild für seine Untertanen und seinen Hof als Musterhaushalt.
Literatur
Veit Ludwig Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat, Jena 1737
Friedrich Carl von Moser: Teutsches Hof-Recht in zwölf Büchern, Frankfurt-Leipzig 1761
Andreas Klinger: Der Gothaer Fürstenstaat. Herrschaft, Konfession und Dynastie unter Herzog Ernst dem Frommen, Husum 2002
Weblinks
Schloss Friedenstein und Barockes Universum
Text
Anja Kircher-Kannemann