Ein Rückzugsort für einsame Mußestunden, eine Basisstation für ertragreiche Jagdzüge und eine Lokalität für prunkvolle Empfänge und Feste, dazu inmitten von weitläufigen Wäldern und barocken Gärten gelegen, mit traumhafter Aussicht und fantastischer Ausstattung – all das war Schloss Solitude. Der württembergische Herzog Carl Eugen hat es zwischen 1763 und 1769 auf einem Bergrücken westlich der Residenzstadt Stuttgart erbauen lassen und damit einen bis heute beliebten Ausflugsort geschaffen. Doch nicht nur das, „die Solitude“ war auch Schulstandort und Experimentierfeld.
1770 gründete Herzog Carl Eugen in einem der Nebengebäude des Schlosskomplexes die Hohe Carlsschule. Sie war gedacht als „Pflanzschule“, die dem Herrscher treue und hörige, zugleich aber auch umfassend gebildete Staatsdiener erziehen sollte. Ihr berühmtester Schüler war Friedrich Schiller. Als die Schule 1785 nach Stuttgart verlegt wurde, zog ein Mann dort oben ein, der auf dem weitläufigen Gelände eine Art landwirtschaftliche Versuchsanstalt errichtete: Friedrich Schillers Vater.
Vom Offizier zum Pomologen
Johann Caspar Schiller kam 1723 im nördlich von Stuttgart gelegenen Bittenfeld als Sohn eines Schultheißen zur Welt und absolvierte eine Lehre als Barbier und Wundarzt. 1753 trat er als Soldat in die Dienste des Herzogs Carl Eugen und brachte es bis zum Offizier. Seine Leidenschaft gehörte aber nicht dem Kriegswesen, sondern der Obstbaumkunde bzw. Pomologie. Neben seinem Soldatenberuf erarbeitete er zahlreiche Verbesserungsvorschläge für die Landwirtschaft und legte seine Erkenntnisse schriftlich nieder. 1767 und 1768 erschienen die fünf Bände seines 600 Seiten umfassenden Hauptwerks „Betrachtungen über Landwirthschaftliche Dinge in dem Herzogthum Würtemberg“, in dem er sich unter anderem mit dem Wein- und dem Ackerbau auseinandersetzt. Dem Herzog blieb dies nicht fremd und er berief Johann Caspar Schiller 1775 zum Oberaufseher über die herzoglichen Gartenanlagen und Leiter der Baumschule auf Schloss Solitude.
Johann Caspar Schiller, Quelle: Wikipedia
Baumschule mit Wachstumspotenzial
Der Pomologe packte kräftig an und gestaltete das Gelände um, an den dichtenden Sohn schrieb er:
„Inzwischen hab ich doch seit etwa 6. Wochen viel gethan. Die neue Anlage zu einer Baumzucht liegt am Berg, und da mußte ich gegen 700. Schritte lang Terrassen machen lassen, um das ErdReich soviel möglich horizontal zu legen. Jetzt sind dies Frühjahr schohn gegen – junge Baumpflanzen ausgesezt und ich habe deren noch mehr […].“
Offenbar hatte er zum Einstand aus seinem privaten Garten in Ludwigsburg 4000 Obstbäume mitgebracht. Im Januar 1793 – nach acht Jahren – meldete er seinem Sohn, dass ihm vom herzoglichen Kollegium noch eine große Baumschule mit 40.000 Bäumen übertragen worden sei. Schillers Arbeit brachte den Obstanbau im gesamten Herzogtum entscheidend voran. Dass das Land noch heute für seine ökologisch wertvollen Streuobstwiesen bekannt ist, liegt nicht zuletzt an seinem Wirken.
Nachhaltigkeit und Luftreinhaltung
Nach dem Tod von Herzog Carl Eugen ging es mit der Baumzucht auf der Solitude schnell bergab. Sie wurde teilweise aufgegeben und teilweise verlegt. Familie Schiller musste in eines der kleinen Kavaliershäuser umziehen.
Kavaliershäuschen auf Schloss Solitude, Haus Nr. 16 wurde von Familie Schiller bewohnt (c) Andrea Hahn | Text & Presse
Dort starb Johann Caspar Schiller am 7. September 1796. In das Gedächtnis der Nachwelt hat er sich als despotischer Vater des Dichterfürsten Friedrich Schiller eingeschrieben, Kenner sehen in ihm aber vor allem den vorausschauenden Wegbereiter der modernen Landwirtschaft. Im Vorwort der „Baumzucht im Großen“ schreibt er ganz im Geiste nachhaltigen Wirtschaftens:
„Die Baumzucht ist freylich etwas, das mehr unsern Nachkommen, als uns selbst zu gute kömmt, aber wir sind auch unserer Nachkommenschaft eben die Aufmerksamkeit und Fürsorge schuldig, die wir unsern Voreltern zu verdanken haben; auch scheint es mir Pflicht gegen uns selbst zu seyn, unsere Nachkömmlinge in der Anschauung und dem Genuß dessen, was wir für sie gethan haben, alsdenn zum Dank und zum Andenken an uns noch zu verbinden und zu erhalten, wenn wir selbst schon lange nicht mehr vorhanden sind. Je mehr wir des Guten und Löblichen hinterlassen, desto überzeugender ist es, daß wir unser Daseyn auf der Welt wohl angewandt haben. […]“
Am Ende geht er nochmals auf die segensreiche Wirkung der Bäume ein:
„Allein bey der Übersicht des Ganzen können gar noch Millionen Bäume und besonders an den Haupt- und Landstraßen füglich Platz finden und Deutschland zu dem angenehmsten Garten bilden.
[…] Der Anwuchs mehrern Holzes ist noch weit beträchtlicher und sicherer [als der nur von Obstbäumen] und hiernächst kommt die Verschönerung eines Landes, und die Reinigung der Luft, die durch Besetzen der Landstraßen bewirkt werden, in billige Betrachtung.“
Vater eines Dichterfürsten und Obstbaumzüchter eines Herzogs – Johann Caspar Schiller
Ein Rückzugsort für einsame Mußestunden, eine Basisstation für ertragreiche Jagdzüge und eine Lokalität für prunkvolle Empfänge und Feste, dazu inmitten von weitläufigen Wäldern und barocken Gärten gelegen, mit traumhafter Aussicht und fantastischer Ausstattung – all das war Schloss Solitude. Der württembergische Herzog Carl Eugen hat es zwischen 1763 und 1769 auf einem Bergrücken westlich der Residenzstadt Stuttgart erbauen lassen und damit einen bis heute beliebten Ausflugsort geschaffen. Doch nicht nur das, „die Solitude“ war auch Schulstandort und Experimentierfeld.
1770 gründete Herzog Carl Eugen in einem der Nebengebäude des Schlosskomplexes die Hohe Carlsschule. Sie war gedacht als „Pflanzschule“, die dem Herrscher treue und hörige, zugleich aber auch umfassend gebildete Staatsdiener erziehen sollte. Ihr berühmtester Schüler war Friedrich Schiller. Als die Schule 1785 nach Stuttgart verlegt wurde, zog ein Mann dort oben ein, der auf dem weitläufigen Gelände eine Art landwirtschaftliche Versuchsanstalt errichtete: Friedrich Schillers Vater.
Vom Offizier zum Pomologen
Johann Caspar Schiller kam 1723 im nördlich von Stuttgart gelegenen Bittenfeld als Sohn eines Schultheißen zur Welt und absolvierte eine Lehre als Barbier und Wundarzt. 1753 trat er als Soldat in die Dienste des Herzogs Carl Eugen und brachte es bis zum Offizier. Seine Leidenschaft gehörte aber nicht dem Kriegswesen, sondern der Obstbaumkunde bzw. Pomologie. Neben seinem Soldatenberuf erarbeitete er zahlreiche Verbesserungsvorschläge für die Landwirtschaft und legte seine Erkenntnisse schriftlich nieder. 1767 und 1768 erschienen die fünf Bände seines 600 Seiten umfassenden Hauptwerks „Betrachtungen über Landwirthschaftliche Dinge in dem Herzogthum Würtemberg“, in dem er sich unter anderem mit dem Wein- und dem Ackerbau auseinandersetzt. Dem Herzog blieb dies nicht fremd und er berief Johann Caspar Schiller 1775 zum Oberaufseher über die herzoglichen Gartenanlagen und Leiter der Baumschule auf Schloss Solitude.
Johann Caspar Schiller, Quelle: Wikipedia
Baumschule mit Wachstumspotenzial
Der Pomologe packte kräftig an und gestaltete das Gelände um, an den dichtenden Sohn schrieb er:
Offenbar hatte er zum Einstand aus seinem privaten Garten in Ludwigsburg 4000 Obstbäume mitgebracht. Im Januar 1793 – nach acht Jahren – meldete er seinem Sohn, dass ihm vom herzoglichen Kollegium noch eine große Baumschule mit 40.000 Bäumen übertragen worden sei. Schillers Arbeit brachte den Obstanbau im gesamten Herzogtum entscheidend voran. Dass das Land noch heute für seine ökologisch wertvollen Streuobstwiesen bekannt ist, liegt nicht zuletzt an seinem Wirken.
Nachhaltigkeit und Luftreinhaltung
Nach dem Tod von Herzog Carl Eugen ging es mit der Baumzucht auf der Solitude schnell bergab. Sie wurde teilweise aufgegeben und teilweise verlegt. Familie Schiller musste in eines der kleinen Kavaliershäuser umziehen.
Kavaliershäuschen auf Schloss Solitude, Haus Nr. 16 wurde von Familie Schiller bewohnt (c) Andrea Hahn | Text & Presse
Dort starb Johann Caspar Schiller am 7. September 1796. In das Gedächtnis der Nachwelt hat er sich als despotischer Vater des Dichterfürsten Friedrich Schiller eingeschrieben, Kenner sehen in ihm aber vor allem den vorausschauenden Wegbereiter der modernen Landwirtschaft. Im Vorwort der „Baumzucht im Großen“ schreibt er ganz im Geiste nachhaltigen Wirtschaftens:
Am Ende geht er nochmals auf die segensreiche Wirkung der Bäume ein:
Schriften
Betrachtungen über Landwirthschaftliche Dinge in dem Herzogthum Würtemberg / aufgesezt von einem Herzoglichen Officier. 5 Bde. Stuttgart: Cotta, 1767/68.
Die Baumzucht im Großen: aus zwanzigjährigen Erfahrungen im Kleinen in Rücksicht auf ihre Behandlung, Kosten, Nutzen und Ertrag beurtheilt von J. C. Schiller. Neustrelitz: Hofbuchhandlung, 1795. – Nachdr. 1993.
Meine Lebens-Geschichte. Mit einem Nachw. von Ulrich Ott. Marbach am Neckar: Schillerverein, 1993.
Literatur
Jean-Baptiste Joly: Johann Caspar Schiller auf der Solitude. Marbach am Neckar: Deutsche Schillergesellschaft, 1994.
Michael Davidis: Schillers Eltern. Zwei bekannte Unbekannte. Marbach am Neckar: Schillerverein, 2009.
Text
Andrea Hahn | Text & Presse