Höfische Modegetränke oder die Geschichte der ersten „Barista“
Morgens zum Wachwerden erst einmal einen Kaffee trinken oder vielleicht auch einen Tee. Im Büro natürlich auch erst einmal einen Kaffee aufsetzen, zwischendurch – an kalten Tagen oder wenn man Halsweh hat – einen Tee kochen, nach der Arbeit erst einmal zum Entspannen beim Lieblings-Barista einkehren und einen Latte Macchiato genießen und dann natürlich abends auf der Couch eine schöne heiße Schokolade trinken, als Betthupferl sozusagen. – Für uns heute das Normalste der Welt und einfach Alltag. In der Frühen Neuzeit aber sah das anders aus, da waren all diese Getränke Luxus, und gerade einmal die gehobenen Kreise kannten sie und konnten sie sich leisten.
Erst im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts kamen die berühmten „Drei“ – Kaffee, Tee und Schokolade – so richtig in Mode. Es war chic, es war exotisch und in manchen Kreisen auch so ein wenig verrucht, diese neumodischen Heißgetränke zu sich zu nehmen. Die Preise waren exorbitant und man zeigte, dass man zu den oberen Zehntausend gehörte, wenn man sie trank und den Gästen anbot.
Und schon damals war es wie heute: die Wissenschaft konnte sich nicht so recht einig darüber werden, ob man sie nun als Medizin ansah oder aber als gar furchtbar gefährlich. Manches ändert sich eben nie, so hat man den Eindruck.
Von Marco Polo zum Landgrafen von Hessen-Kassel – Der Tee
Das in Europa am längsten bekannte der drei Modegetränke ist der Tee. Schon Marco Polo berichtete 1284 von einer Teesteuer in China aber bis diese einzigartigen Blätter wirklich in Europa ankamen, dauerte es noch eine Weile. Genauer gesagt eine recht lange Weile, denn die erste Teesendung traf erst 1610 in Holland ein und erst ab 1638 gab es die ersten regelmäßigen Lieferungen nach Europa. Bis dahin blieb den Menschen hierzulande nur Wasser, Bier, Wein und Milch übrig.
Einer der berühmtesten Teetrinker damals war in Deutschland übrigens ein Landgraf von Hessen-Kassel, der allmorgendlich nicht weniger als 40 Tassen zu sich genommen haben soll. Eine reife Leistung, die sicher nicht die erwünschte medizinische Wirkung hatte.
Von der Schwarzen Muse bis zur Kantate – Der Kaffee
Die Araber gaben ihm – dem Kaffee – einst seinen Namen „قهوة“ (qahwa), was nichts anderes bedeutet als „anregendes Getränk“, und damit brachten sie es auf den Punkt, denn die anregende Wirkung ist es bis heute, die uns zum Genuss dieses Heißgetränks treibt.
Seinen Siegeszug in Europa trat der Kaffee zunächst eher langsam und verhalten ab dem 16. Jahrhundert an. 1669 dann kam er durch einen osmanischen Gesandten an den französischen Hof, und nachdem man ihn dort einmal lieben gelernt hatte, war seine weitere Verbreitung im Grunde nicht mehr aufzuhalten; denn was erst einmal Mode am Hof des Sonnenkönigs war, das war auch ganz schnell Mode in den gehobenen Kreisen ganz Europas. Sehr süß mit viel Zucker oder Honig trank man ihn damals, den Kaffee, also eher eine Kalorienbombe als eine Medizin gegen Wassersucht und Gicht, wie man damals meinte.
Folgt man der Legende, so war es der Wiener , der 1683 im Lager des Großwesirs Kara Mustafa bei der Belagerung von Wien die graugrünen Bohnen entdeckte und als Kaffee identifizierte. Er soll auch gewusst haben, dass man sie rösten muss, und damit die Geschichte komplett wird, soll er auch gleich das erste Wiener Kaffeehaus eröffnet haben.
Richtig an der Geschichte ist eigentlich nur eins: Kolschitzky befand sich während der Belagerung von Wien tatsächlich in der Stadt und kannte sich mit Kaffee aus, denn er war Botschafter in Konstantinopel gewesen und sprach fließend Türkisch, außerdem ist er wohl sogar ins Lager des Großwesirs gelangt, als Spion.
Ausgesprochen vielen Menschen galt Kaffee als „schwarze Muse“, so etwa Honoré de Balzac, der über sein heißgeliebtes Getränk schrieb: „Der Kaffee kommt in den Magen, und alles gerät in Bewegung: die Ideen rücken an wie Bataillone der großen Armee auf einem Schlachtfeld; der Kampf beginnt.“ Definitiv ein wenig martialisch beschrieben, aber auch eine herrliche Liebeserklärung an dieses Getränk.
Selbst Johann Sebastian Bach konnte dem Kaffee nicht entrinnen und widmete ihm seine „Kaffee-Kantate“ an deren Schluss alle Anwesenden die Leidenschaft für Kaffee als unumgänglich preisen.
Vom bitteren Wasser zur süßen Verführung – Die Schokolade
Mehr als jedes andere Getränk ist die Schokolade das Getränk des Hofes, das Getränk der Schönheit, der Eleganz und des Zeitalters von Barock und Rokoko.
Das Wort Schokolade leitet sich vom Namen des ersten kakaohaltigen Getränks ab. Die Azteken nannten es xocóatl oder xocólatl. Dieses exotische Getränk war eine Mischung aus Wasser, Kakao, Vanille und Cayennepfeffer und der Name bedeutet so viel wie „bitteres Wasser“. Nun gut, das klingt jetzt nicht so lecker, zumindest nicht für unseren mitteleuropäischen Gaumen, und wohl auch deshalb begann man in Europa schon bald die Schokolade eher süß zu sich zu nehmen. Honig und Rohrzucker waren die Zutaten, die den Kakao zur Schokolade und damit zur absoluten Mode der Schönen und Reichen werden ließen. Entstanden ist die Mode am spanischen Hof, wo wir Schokolade als Getränk schon 1544 finden. Von dort verbreitete sie sich nach England, Holland, Deutschland und letztlich ganz Europa.
Von den Modegetränken zur Mode des Porzellans
Mit der Mode von Kaffee, Tee und Schokolade einher ging der Trend zum Porzellan, denn die neuen Getränke bedurften feinerer und kleinerer Tassen und Becher als etwa die althergebrachte Biersuppe oder Wasser. Unzählige Arten von Tassen, Kannen und Tellern wurden erfunden und hergestellt. Für die Schokolade etwa wurden besondere Kannen auf drei Füßen mit einer Deckelöffnung hergestellt, denn sie wurde in der Kanne gequirlt und damit sie heiß, blieb musste ein Brenner oder Stövchen unter die Kanne passen.
Verändert haben das Porzellan und die neuen Modegetränke die Welt sicher nicht, aber sie haben sie um einiges schöner gemacht und Mirabeau schrieb: „Tee und Kaffee haben dem Laster der Trunkenheit stärkere Schranken gesetzt, als die Lehren der Moralisten, die Wissenschaft und die Aufklärung.“ Na, also, wenn das nichts ist.
Die Erfindung der „ersten Barista“
Und was hat es nun mit dieser ominösen „ersten Barista“ auf sich?
Nun, dass sie die erste ihrer Art war, stimmt wohl nicht ganz. Die Anfänge des Baristaberufs, wie wir ihn heute kennen, sind ein wenig nebulös und doch wohl deutlich jünger als die Dame, die hier gemeint ist.
Die Frau, von der die Rede ist, wurde auch nicht Barista genannt, sondern schlicht „Kaffeefrau“. Kaffee und seine Zubereitung waren also mindestens genauso wichtig wie etwa Süßspeisen, für die es die Patissiers gab.
Die „Caffefrau“, um die es hier geht, lebte am Hof von Hannover, und Ernst von Malortie hat ihr ein Denkmal gesetzt und ihre Dienstordnung überliefert. Ihre Aufgabe bestand darin, sich um die Zubereitung von Kaffee und Tee zu kümmern und vor allem auch auf das notwendige Porzellan zu achten, um „die größtmöglichste Schmackhaftigkeit der Getränke zu erzielen“, wie er schrieb.
Solche Kaffeefrauen und auch eigene Kaffeekammern gab es übrigens nicht nur am hannoverschen Hof. Auch der König von Württemberg hatte sich dem Kaffee verschrieben und richtete eine eigene Kaffeekammer ein, und Christina Charlotta, Markgräfin von Brandenburg, stellte zwei Kammerlakaien nur für die Zubereitung dieser Getränke ab.
Glaubt man dem Schweizer Gelehrten Christoph Bernoulli, dann hatte vor allem der Kaffee eine wahrlich revolutionäre Wirkung, denn er war der Meinung: „Die Befreiung der Frau aus ihrem Winkel ist die größte Leistung der Aufklärung, der Toleranz und des Kaffees.“
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen nun eine schöne Kaffee-, Tee- oder Schokoladenstunde.
Literatur
Carl Ernst von Malortie: Der Hof-Marschall. Handbuch zur Einrichtung und Führung eines Hofhalts, Hannover 1846
Piero Camporesi: Der feine Geschmack. Luxus und Moden im 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1992
Martin Krieger: Kaffee. Geschichte eines Genussmittels, Köln-Weimar-Wien 2011
Weblinks
Kaffee als höfisches Lebenselixier
Text
Anja Kircher-Kannemann
Aber wie hieß denn nun die erste Barista, hab ich es überlesen? Ich hatte gehofft ein wenig mehr über sie zu erfahren.
Gute Frage, wir werden unsere Autorin sofort befragen, sie kann bestimmt Auskunft geben. Lieben Dank!
Jetzt wissen wir mehr, aber leider nicht den Namen der Barista. Unsere Autorin kennt ihn nicht. Malortie, von dem die Beschreibung stammt, hat ihn leider nicht mit überliefert. Sie nimmt an, dass man ihn über das Hofstaatsverzeichnis des Hannoverschen Hofes jener Jahre herausfinden könnte. Das hat sie nur leider bisher nicht gemacht. Vermutlich wäre das sehr aufwendig, sodass wir ihr das auch nicht zumuten können. Tut uns leid 🙁
Guten Tag, ein sprudelnder Mitblogger ist entzückt von der belebenden Gesellschaft der Weltgetränke Kaffee, Kakao und Tee. Zum allgemeinen Glück entwickelten sich ja die elitären Genüsse bei Hofe Dank Revolutionen und Welthandel am Ende erschwinglich. Das aufgeklärte nächste Kapitel würde die Kaffeehauskultur des Industrieadels beschreiben. Wo klare Köpfe aus feinem Porzellan nippten, während die Massen zur Flasche griffen, Schlösser samt Gärten von Schornsteinen vernebelt wurden. 100 Jahre nach der Kaiserdämmerung feiern wenigstens noch republikanische Hoflieferanten fröhliche Urständ. Auf Ihre nächste Stimulanz freut sich gespannt Ihr Wasserträger hjk
Lieber sprudelnder Mitblogger, besten Dank für den belebenden und nicht etwa wässrign Kommentar. Sollen wir schon ein bisschen vom nächsten Beitrag verraten? Da wird es ganz und gar schokoladig. Wohl bekomm’s!