Sieben Jahre dauerte der Krieg schon an, als die Hochzeit stattfand mit großem Gepränge, viel Zeremoniell und reichlich Gästen. Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar (1598–1662), der hier in dieser Geschichte eine unserer beiden Hauptpersonen ist, hatte bereits so einige Schlachten geschlagen. Dabei sollte dieser Krieg noch weitere 23 Jahre dauern. Seine bald Angetraute war 23 Jahre alt und hörte auf den Namen Eleonora Dorothea (1602-1664), Prinzessin von Anhalt-Dessau.
Hochzeitshindernisse
Aber blicken wir zunächst zwei Jahre zurück: 1622 war es oder 1623, die Quellen sind sich nicht so ganz einig, da wurde in Köthen die Verlobung bekanntgegeben zwischen den beiden genannten Menschen. Eigentlich sollte die Hochzeit recht bald stattfinden, doch in Zeiten des Krieges kommt es oft ganz anders. Die genauen Gründe für die Verzögerung können wir in der „Historie des Fürstenthums Anhalt“ nachlesen. Erst am 23. Mai 1625 fand die Hochzeit zu Weimar statt, „weil Hertzog Wilhelm inzwischen in Hertzog Christians zu Braunschweig Niederlage bei Stat Lon A. 1623. den 27. Jul. gefährlich verwundet / und gefangen / endlich auch auf Kaisers Ferdinandi II. Verordnung nach Neustat gebracht / und nicht eher als A. 1625. den 5. Febr. wieder erlassen worden“.[1]
Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar. Grafik aus dem Klebeband Nr. 1 der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek Arolsen
Nach der Freilassung des Verwundeten aber ging dann alles sehr schnell. Die Hochzeit wurde geplant, und man reiste los, um sie endlich zu feiern. Am Sonntag, dem 22. Mai 1625, kam der Tross an: „Dem Beilager haben beigewohnet / Hr. Johann Casimir / Hr. Friedrich / Hr. Albrecht / Hr. Ernst / allerseits Hertzoge zu Sachsen / ingleichen die Fürstl. Hrn. Brüder / F. Johann Casimir nebst seiner Gemahlin / und F. George Aribert / welche nebst der Fürstl. Braut Abends um 5 Uhr vor Weimar angelangt / und von dem Hrn. Bräutigam selbsten mit einer wohlgesetzten Rede empfangen / und biß in die Fürstl. Residence mit einem ansehnlichen Comitat begleitet worden.“[2]
Volles Programm
Viel Zeit blieb den Gästen nicht, um sich einzurichten, denn die Zeremonie fand bereits am Abend zwischen 21 und 22 Uhr statt. Trompeter kündigten die Brautleute an, es wurde Musik gespielt, Motetten wurden gesungen, und der Hofprediger nahm die Trauung vor. Die allerdings war eigentlich erst der Anfang des feierlichen Gepränges.
Direkt nach der Trauung wurden die Brautleute, wie in der Frühen Neuzeit noch immer üblich, „in das hier zubereitete Bette beygesetzt“.[3] Alles war so eingerichtet, dass man auch hier die Musik und den Gesang noch hören konnte und das Defilee der adeligen Gäste begann, um das Brautpaar zu beglückwünschen.
Eleonore Dorothea Prinzessin von Anhalt-Dessau und ihre Söhne, 1639. Maler: Christian Richter
Sollten die beiden nach dem anstrengenden Tag nun Hunger und Durst gehabt haben, was nicht allzu verwunderlich wäre, wurden sie jetzt davon erlöst. „Das Confect und Trincken“[4] wurden endlich vorgetragen und selbstverständlich zuerst dem Brautpaar auf dem Bett gereicht. Anschließend wurde es in den Saal weitergetragen, wo sich dann alle Anwesenden daran laben durften. Das Brautpaar durfte nun aus dem Bett aufstehen und wurde unter dem Blasen der Trompeten zu seinen Gemächern geleitet. Spätestens jetzt hatten wohl wirklich alle Hunger, das bisschen Konfekt wird daran nicht viel geändert haben. Folgerichtig wurde „alsobalden zu Tische geblasen, geklopfft und angericht“.[5]
Hochzeit unter widrigen Umständen – eine Feier in einem zerstörten Schloss
Was genau es an diesem Abend zu essen gab, ist leider nicht überliefert. Aber wir wissen dank Johann Christian Lünig sehr genau, wie die Tischordnung war und wie viele Essen pro Tisch gereicht wurden: Im „gewölbten Saal“ des Schlosses sollte eine fürstliche Doppeltafel aufgestellt werden, die von nicht weniger als 23 adeligen und hochstehenden Würdenträgern plus diverser „Edel-Knaben und Officianten“ bedient wurde. Und die waren auch gut beschäftigt, denn die „Doppel-Tafel soll mit 18. Essen auf jeden Vorsitz und ieden Gang gespeiset, und den ersten Gang vier Einschieb-Essen“ versorgt werden. Knurrende Mägen waren danach wohl nicht mehr zu befürchten.
Neben dieser Doppeltafel gab es eine Grafen-Tafel, die immerhin noch 12 Essen erhielt. Eine weitere „runde Tafel“ bekam acht Essen und zwei weitere Tische für die Frauenzimmer des Hofes konnten sich an je sechs Essen erfreuen. Damit war der „gewölbte Saal“ offenbar voll. Allerdings waren noch nicht alle Gäste des Hochzeitsmahls versorgt. Also stellte man vor dem Saal die „Truchsess-Tafel“ auf. Die war offenbar der „Katzentisch“, denn die hier sitzenden Personen erhielten „von denenjenigen, was von der Fürstl. Doppel-Tafel hinweg genommen wird“.[6] Bedenkt man wie viele Essen auf der Doppeltafel gereicht wurden, so muss man sich ganz sicher auch hier um knurrende Mägen keine Sorgen machen.
Wer jetzt denkt, dass damit dann ja wohl alle versorgt waren, der irrt, denn es gab auch noch die Edel-Knaben, die Lakaien und diverse andere Diener. Und auch die Diener und Edel-Knaben der Gäste, die Trompeter, die Musikanten, die Trabanten und Lakaien waren alle zu verköstigen. Sie hatten Hunger, aber keinen Platz, denn ein wirkliches Residenz-Schloss gab es 1625 in Weimar nicht. Das alte Schloss war 1618 abgebrannt. Was also tun? Die Hofstube des Wittums-Schlosses bot ein Ausweichquartier. Lünig schreibt dazu: „In gedachter Hof-Stuben sollen die Gesandten der Universität und Städte, sowohl die von Adel und vornehmsten Officirer gespeiset werden, wenn aber der Raum zu enge werden wollte, müsten etzliche Tische auf den Saal vor dem Hennenbergischen Gemach gesetzt, und daselbsten die Vornehmsten gespeiset werden.“[7]
Und die weniger Vornehmen, die sicherlich dennoch Hunger hatten? Denen wurden Tafeln im Rathaus von Weimar aufgestellt. Wir sehen: Festmähler in Zeiten des Krieges konnten reichlich improvisiert wirken. Aber immerhin ist am Ende wohl jeder satt geworden, bevor man zum Tanz schritt. Damit endete der Tag der Hochzeit, doch die Feierlichkeiten waren damit noch lange nicht am Ende.
Ein „Küchen-Zettel bei der Vermählung“
Wie bereits erwähnt, wissen wir leider nicht, was Wilhelm, Eleonora Dorothea und ihre Hochzeitsgäste gegessen haben, denn die Quellen schweigen dazu. Immerhin haben wir den „Küchen-Zettel“ einer vergleichbaren Hochzeit als Anhaltspunkt: Am 6. November 1524, also ziemlich genau 100 Jahre zuvor, heirateten in Dresden Kurfürst Joachim von Brandenburg (1505 – 1571) und Prinzessin Magdalena von Sachsen (1507 – 1534). Ernst von Malortie hat uns ihren „Küchen-Zettel“ in seinem Buch „Das Menue“ überliefert.[8] Wir können diesen durchaus als Anhaltspunkt für die Speisen bei unserer Weimarer Hochzeit nehmen, denn es ist ein Nachbarterritorium und „das allg. Szenarium einer ‚echten‘ fsl. Hochzeit blieb mehrere Jh.e lang ähnlich“.[9] Gleiches gilt auch für die Speisezettel, die sich bei großen fürstlichen Hochzeiten zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert kaum wandelten. Einzig ihre Opulenz stieg an sowie die Zahl und Größe der Schauessen.
Sehen wir uns also den „Küchen-Zettel“ von 1524 an[10]: Am Hochzeitstag gab es mittags an der Fürsten-Tafel vier Gänge. Der erste Gang bestand aus einem „Auerhahn mit einer gehemmerten süßen Sose (geschlagenen Sauce). Grüne Foren (frische Forellen). Gebratenes. Mandeltorten mit Confekt. Ein Schau-Essen.“ Der zweite Gang beinhaltete „Schweine-Wildpret. Gebratenes von Span-Ferkeln. Wilde Hühner mit gelber Sose (Sauce). Ein Schau-Essen.“ Eine Mischung aus Süß und Herzhaft, was in dieser Zeit übrigens vollkommen normal war, stellte auch der dritte Gang dar. Er bestand aus „Grüne (frische) Hechte. Heiße Kuchen mit Oblaten. Pasteten, darin eine Rehkeule, vergoldet für ein Schau-Essen.“ Im vierten Gang schließlich gab es „Gepreßte Schweins-Köpfe mit Aepfeln und Weinessig. Birnen in einer süßen Brühe. Gebackenes. Eine hohe Gallerte von Fischen, vergoldet für ein Schau-Essen.“ Wer jetzt noch hungrig war, dem war wohl nicht mehr zu helfen. Und wenn Sie jetzt meinen, dass Sie nach diesem Essen für den Rest der Woche satt gewesen wären, dann ist es gut, dass Sie nicht im 16. Jahrhundert gelebt haben. Der Grund? Nun, abends um 18 Uhr ging es weiter mit dem Schmausen, wenn auch nicht mehr ganz so opulent. Als ersten Gang gab es „Salat. Zwei Reis-Schüsseln. Gebratene Tauben. Kalbs-Braten. Gekochte Karpfen. Rindfleisch. Gekochte Aale. Hammelbraten. Gerösteter Kalbskopf. Erbschocken. Krebse. Hammelfleisch. Leber-Kuchen. Geschnittener Ochsen-Kopf.“ Zum zweiten Gang reichte man „Kalbfleisch. Gekochte junge Hühner. Pastete von Ochsenzungen. Hirschbraten, Gebratene Rehkeule. Lammbraten. Reh-Wildpret. Ochsen-Kaldaunen. Pflaumen-Kuchen. Stachelbeeren-Torte. Hirsch-Wildpret. Ochsen-Klauen. Gekochte Karautschen.“[11] Geben wir uns der Hoffnung hin, dass auch ein Magenbitter zum Repertoire der Getränke gehörte.
Lustbarkeiten zwischen Ring-Rennen und Jagd
Nach unserem Ausflug in die Welt der „Küchen-Zettel“ widmen wir uns wieder der Hochzeit in Weimar im Jahr 1625: Am Dienstag, den 24. Mai ging es weiter. Der Morgen begann mit einem Frühstück über dessen Opulenz die Quellen leider nichts preisgeben. Danach waren dann wieder die Trompeter im Einsatz, die zur Hochzeits-Predigt bliesen. Natürlich waren dazu wieder alle wichtigen Gäste geladen. Braut und Bräutigam wurde der Hochzeitssegen erteilt. Die Musik spielte, der Bräutigam ließ die Morgengabe überreichen, und die Gäste übergaben weitere Geschenke. Allseits gab es Dankesbekundungen, und man begab sich zum Essen, das in ähnlicher Form ablief wie am Vorabend mit abschließendem Tanz.
Die ab 1619 errichtete Schlosskapelle mit der Orgel über dem Altar. Ölgemälde von Christian Richter, um 1660
Auch am 25. und 26. gab es noch zahlreiche Vergnügungen für die versammelte Hochzeitsgesellschaft. Am Mittwoch war es ein „Ring-Rennen“, zu dem sich die Männer einfanden. „Fürstl. und ander Frauenzimmer“ konnten „in denen noch unversehrten Gemachen im alten Schloß zusehen“.[12] Das „Ring-Rennen“ geht auf eine Wettkampfform mittelalterlicher Turniere zurück und wurde speziell bei Hochzeitsfeierlichkeiten bis ins 17. Jahrhundert hinein praktiziert.
Der Donnerstag brachte der versammelten Gesellschaft eine Predigt, Essen und verschiedene Vergnügungen. Am Freitag blies man zur Jagd, bei der Johann Casimir der Abschuss eines kapitalen 18-Enders gelang, wie die Anhaltinische Chronik nicht ohne einen gewissen Stolz vermeldet.[13]
Die Jagd war der krönende Abschluss der Hochzeitsfeierlichkeiten. Mit ihr wurde das Ende der Festlichkeiten eingeläutet. Die Hochzeitsgesellschaft löste sich langsam aber sicher auf, und für das frischgebackene Ehepaar begann der Alltag in Zeiten des Krieges.
Weimar und seine Schlösser
1623 also gab es in Weimar kein vollständiges Residenzschloss. 1618 war die einstmals von Kurfürst Johann Friedrich I. (1503–1554) zum Renaissance-Schloss ausgebaute Burg zur Hälfte abgebrannt. Zwar begann Johann Ernst I. (1594–1626) bereits 1619 mit einem Wiederaufbau, aber der war zum Zeitpunkt der Hochzeit noch nicht sehr weit gediehen und ab 1630 ging es gar nicht mehr vorwärts. Man musste dem Krieg Tribut zollen, einzig die Kapelle des Schlosses war fertiggestellt.
Unser Bräutigam – Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar beauftragte im Jahr 1651 den Baumeister Johann Moritz Richter den Älteren (1620–1667) mit dem Weiterbau, aber auch dem war kein wirkliches Glück beschieden, denn die „Wilhelmsburg“ litt, genau wie ihr Erbauer, unter Geldmangel.
Zwar beschreibt Carl Eduard Vehse in den 1850er-Jahren eben diese Wilhelmsburg als „ein stattliches Schloß mit Wällen, Außenmauern und Wassergräben umschlossen, das 123 Jahre gestanden hat“[14], aber ganz so war es nicht, denn fertiggestellt wurde sie nie, diese neue Burg.
1774, am 6. Mai, kam dann ihr beinah endgültiges Ende: die Wilhelmsburg wurde erneut durch einen Brand zerstört. Es wäre wohl wirklich das Ende gewesen, denn Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757–1828) liebäugelte mit einem Neubau. Ihre Rettung und ihren Wiederaufbau verdankt die Wilhelmsburg nicht zuletzt der eingesetzten Schlossbaukommission und einem jungen ambitionierten und zugereisten Mann namens Johann Wolfgang Goethe (1749–1832).
Residenzschloss Weimar von Südost aus, um 1845. Künstler: J. W. Appleton
So wenig, wie das Weimarer Stadtschloss noch das gleiche ist wie das zur Zeit der Hochzeit von Wilhelm und Eleonora Dorothea, so wenig ist es auch das Wittumsschloss, in das einige der Hochzeitsgäste zum Essen ausquartiert wurden. Das Wittumspalais, das man heute in Weimar findet, geht auf Herzogin Anna Amalia (1739–1807) zurück. Sie kaufte 1775 das Stadtpalais, das Minister Jakob Friedrich von Fritsch (1731–1814) erst vor wenigen Jahren hatte errichten lassen. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1807 lebte sie hier und hielt hier auch ihre berühmten Tafelrunden ab. Goethe, Herder und Schiller waren hier so manches Mal zu Gast.
An das wunderschöne Jagd- und Lustschloss Belvedere, das wir heute wenige Kilometer von Weimars Innenstadt entfernt bewundern können, dachte übrigens zu Zeiten Wilhelms noch niemand. Diese barocke Anlage wurde erst in den Jahren 1724 bis 1744 für Herzog Ernst August I. (1688–1748) errichtet.
Man sieht: Heiraten und Festmähler in Zeiten des Krieges waren nicht immer ganz einfach zu bewerkstelligen, selbst dann nicht, wenn man ein Herzogtum sein Eigen nannte. Die Lust am Feiern aber hat man sich trotzdem nicht nehmen lassen.
Text: Dr. Anja Kircher-Kannemann
[1] Johann Christoph Becmann: Historie des Fürstenthums Anhalt. 5.-7. Teil. Zerbst 1710. S. 231. Der angesprochene Herzog Christian von Braunschweig (1599-1626) wurde bekannt als der „Tolle Christian“ oder auch „Toller Halberstädter“. Er zählt zu den bekanntesten Feldherrn des Dreißigjährigen Krieges und kämpfte auf Seiten der Protestanten gegen die Katholische Liga.
[2] Ebd. S. 231. Die in der Quelle genannten Brüder der Braut sind Johann Kasimir (1596–1660), verheiratet mit Agnes von Hessen-Kassel, und Georg Aribert (1606–1643).
[3] Johann Christian Lünig: Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum. Bd. 2. S. 387.
[4] Ebd. S. 387.
[5] Ebd. S. 388.
[6] Ebd. S. 388.
[7] Ebd. S. 388.
[8] Ernst von Malortie: Das Menu. 3., erw. Aufl. Hannover 1888.
[9] Michael Bojcov: [Artikel] Lebenslauf (Geburt, Taufe, Volljährigkeit, Hochzeit, Tod). In: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Bilder und Begriffe, Teilbd. 1: Begriffe. Hrsg. von Werner Paravicini. Ostfildern 2005. (Residenzenforschung. Bd. 15.II.). S. 489–492, hier S. 489 f.
[10] Ebd. S. 220–223.
[11] Ebd. S. 221 f.
[12] Lünig, Theatrum Ceremoniale, S. 388.
[13] Becmann, Historie des Fürstenthums Anhalt, S. 231.
[14] Eduard Vehse: Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation. Bd. 28, Abt. 5: Sachsen. Teil 1. Hamburg 1854. S. 32.
Hochzeiten und Festmähler in Zeiten des Krieges
Sieben Jahre dauerte der Krieg schon an, als die Hochzeit stattfand mit großem Gepränge, viel Zeremoniell und reichlich Gästen. Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar (1598–1662), der hier in dieser Geschichte eine unserer beiden Hauptpersonen ist, hatte bereits so einige Schlachten geschlagen. Dabei sollte dieser Krieg noch weitere 23 Jahre dauern. Seine bald Angetraute war 23 Jahre alt und hörte auf den Namen Eleonora Dorothea (1602-1664), Prinzessin von Anhalt-Dessau.
Hochzeitshindernisse
Aber blicken wir zunächst zwei Jahre zurück: 1622 war es oder 1623, die Quellen sind sich nicht so ganz einig, da wurde in Köthen die Verlobung bekanntgegeben zwischen den beiden genannten Menschen. Eigentlich sollte die Hochzeit recht bald stattfinden, doch in Zeiten des Krieges kommt es oft ganz anders. Die genauen Gründe für die Verzögerung können wir in der „Historie des Fürstenthums Anhalt“ nachlesen. Erst am 23. Mai 1625 fand die Hochzeit zu Weimar statt, „weil Hertzog Wilhelm inzwischen in Hertzog Christians zu Braunschweig Niederlage bei Stat Lon A. 1623. den 27. Jul. gefährlich verwundet / und gefangen / endlich auch auf Kaisers Ferdinandi II. Verordnung nach Neustat gebracht / und nicht eher als A. 1625. den 5. Febr. wieder erlassen worden“.[1]
Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar. Grafik aus dem Klebeband Nr. 1 der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek Arolsen
Nach der Freilassung des Verwundeten aber ging dann alles sehr schnell. Die Hochzeit wurde geplant, und man reiste los, um sie endlich zu feiern. Am Sonntag, dem 22. Mai 1625, kam der Tross an: „Dem Beilager haben beigewohnet / Hr. Johann Casimir / Hr. Friedrich / Hr. Albrecht / Hr. Ernst / allerseits Hertzoge zu Sachsen / ingleichen die Fürstl. Hrn. Brüder / F. Johann Casimir nebst seiner Gemahlin / und F. George Aribert / welche nebst der Fürstl. Braut Abends um 5 Uhr vor Weimar angelangt / und von dem Hrn. Bräutigam selbsten mit einer wohlgesetzten Rede empfangen / und biß in die Fürstl. Residence mit einem ansehnlichen Comitat begleitet worden.“[2]
Volles Programm
Viel Zeit blieb den Gästen nicht, um sich einzurichten, denn die Zeremonie fand bereits am Abend zwischen 21 und 22 Uhr statt. Trompeter kündigten die Brautleute an, es wurde Musik gespielt, Motetten wurden gesungen, und der Hofprediger nahm die Trauung vor. Die allerdings war eigentlich erst der Anfang des feierlichen Gepränges.
Direkt nach der Trauung wurden die Brautleute, wie in der Frühen Neuzeit noch immer üblich, „in das hier zubereitete Bette beygesetzt“.[3] Alles war so eingerichtet, dass man auch hier die Musik und den Gesang noch hören konnte und das Defilee der adeligen Gäste begann, um das Brautpaar zu beglückwünschen.
Eleonore Dorothea Prinzessin von Anhalt-Dessau und ihre Söhne, 1639. Maler: Christian Richter
Sollten die beiden nach dem anstrengenden Tag nun Hunger und Durst gehabt haben, was nicht allzu verwunderlich wäre, wurden sie jetzt davon erlöst. „Das Confect und Trincken“[4] wurden endlich vorgetragen und selbstverständlich zuerst dem Brautpaar auf dem Bett gereicht. Anschließend wurde es in den Saal weitergetragen, wo sich dann alle Anwesenden daran laben durften. Das Brautpaar durfte nun aus dem Bett aufstehen und wurde unter dem Blasen der Trompeten zu seinen Gemächern geleitet. Spätestens jetzt hatten wohl wirklich alle Hunger, das bisschen Konfekt wird daran nicht viel geändert haben. Folgerichtig wurde „alsobalden zu Tische geblasen, geklopfft und angericht“.[5]
Hochzeit unter widrigen Umständen – eine Feier in einem zerstörten Schloss
Was genau es an diesem Abend zu essen gab, ist leider nicht überliefert. Aber wir wissen dank Johann Christian Lünig sehr genau, wie die Tischordnung war und wie viele Essen pro Tisch gereicht wurden: Im „gewölbten Saal“ des Schlosses sollte eine fürstliche Doppeltafel aufgestellt werden, die von nicht weniger als 23 adeligen und hochstehenden Würdenträgern plus diverser „Edel-Knaben und Officianten“ bedient wurde. Und die waren auch gut beschäftigt, denn die „Doppel-Tafel soll mit 18. Essen auf jeden Vorsitz und ieden Gang gespeiset, und den ersten Gang vier Einschieb-Essen“ versorgt werden. Knurrende Mägen waren danach wohl nicht mehr zu befürchten.
Neben dieser Doppeltafel gab es eine Grafen-Tafel, die immerhin noch 12 Essen erhielt. Eine weitere „runde Tafel“ bekam acht Essen und zwei weitere Tische für die Frauenzimmer des Hofes konnten sich an je sechs Essen erfreuen. Damit war der „gewölbte Saal“ offenbar voll. Allerdings waren noch nicht alle Gäste des Hochzeitsmahls versorgt. Also stellte man vor dem Saal die „Truchsess-Tafel“ auf. Die war offenbar der „Katzentisch“, denn die hier sitzenden Personen erhielten „von denenjenigen, was von der Fürstl. Doppel-Tafel hinweg genommen wird“.[6] Bedenkt man wie viele Essen auf der Doppeltafel gereicht wurden, so muss man sich ganz sicher auch hier um knurrende Mägen keine Sorgen machen.
Wer jetzt denkt, dass damit dann ja wohl alle versorgt waren, der irrt, denn es gab auch noch die Edel-Knaben, die Lakaien und diverse andere Diener. Und auch die Diener und Edel-Knaben der Gäste, die Trompeter, die Musikanten, die Trabanten und Lakaien waren alle zu verköstigen. Sie hatten Hunger, aber keinen Platz, denn ein wirkliches Residenz-Schloss gab es 1625 in Weimar nicht. Das alte Schloss war 1618 abgebrannt. Was also tun? Die Hofstube des Wittums-Schlosses bot ein Ausweichquartier. Lünig schreibt dazu: „In gedachter Hof-Stuben sollen die Gesandten der Universität und Städte, sowohl die von Adel und vornehmsten Officirer gespeiset werden, wenn aber der Raum zu enge werden wollte, müsten etzliche Tische auf den Saal vor dem Hennenbergischen Gemach gesetzt, und daselbsten die Vornehmsten gespeiset werden.“[7]
Und die weniger Vornehmen, die sicherlich dennoch Hunger hatten? Denen wurden Tafeln im Rathaus von Weimar aufgestellt. Wir sehen: Festmähler in Zeiten des Krieges konnten reichlich improvisiert wirken. Aber immerhin ist am Ende wohl jeder satt geworden, bevor man zum Tanz schritt. Damit endete der Tag der Hochzeit, doch die Feierlichkeiten waren damit noch lange nicht am Ende.
Ein „Küchen-Zettel bei der Vermählung“
Wie bereits erwähnt, wissen wir leider nicht, was Wilhelm, Eleonora Dorothea und ihre Hochzeitsgäste gegessen haben, denn die Quellen schweigen dazu. Immerhin haben wir den „Küchen-Zettel“ einer vergleichbaren Hochzeit als Anhaltspunkt: Am 6. November 1524, also ziemlich genau 100 Jahre zuvor, heirateten in Dresden Kurfürst Joachim von Brandenburg (1505 – 1571) und Prinzessin Magdalena von Sachsen (1507 – 1534). Ernst von Malortie hat uns ihren „Küchen-Zettel“ in seinem Buch „Das Menue“ überliefert.[8] Wir können diesen durchaus als Anhaltspunkt für die Speisen bei unserer Weimarer Hochzeit nehmen, denn es ist ein Nachbarterritorium und „das allg. Szenarium einer ‚echten‘ fsl. Hochzeit blieb mehrere Jh.e lang ähnlich“.[9] Gleiches gilt auch für die Speisezettel, die sich bei großen fürstlichen Hochzeiten zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert kaum wandelten. Einzig ihre Opulenz stieg an sowie die Zahl und Größe der Schauessen.
Sehen wir uns also den „Küchen-Zettel“ von 1524 an[10]: Am Hochzeitstag gab es mittags an der Fürsten-Tafel vier Gänge. Der erste Gang bestand aus einem „Auerhahn mit einer gehemmerten süßen Sose (geschlagenen Sauce). Grüne Foren (frische Forellen). Gebratenes. Mandeltorten mit Confekt. Ein Schau-Essen.“ Der zweite Gang beinhaltete „Schweine-Wildpret. Gebratenes von Span-Ferkeln. Wilde Hühner mit gelber Sose (Sauce). Ein Schau-Essen.“ Eine Mischung aus Süß und Herzhaft, was in dieser Zeit übrigens vollkommen normal war, stellte auch der dritte Gang dar. Er bestand aus „Grüne (frische) Hechte. Heiße Kuchen mit Oblaten. Pasteten, darin eine Rehkeule, vergoldet für ein Schau-Essen.“ Im vierten Gang schließlich gab es „Gepreßte Schweins-Köpfe mit Aepfeln und Weinessig. Birnen in einer süßen Brühe. Gebackenes. Eine hohe Gallerte von Fischen, vergoldet für ein Schau-Essen.“ Wer jetzt noch hungrig war, dem war wohl nicht mehr zu helfen. Und wenn Sie jetzt meinen, dass Sie nach diesem Essen für den Rest der Woche satt gewesen wären, dann ist es gut, dass Sie nicht im 16. Jahrhundert gelebt haben. Der Grund? Nun, abends um 18 Uhr ging es weiter mit dem Schmausen, wenn auch nicht mehr ganz so opulent. Als ersten Gang gab es „Salat. Zwei Reis-Schüsseln. Gebratene Tauben. Kalbs-Braten. Gekochte Karpfen. Rindfleisch. Gekochte Aale. Hammelbraten. Gerösteter Kalbskopf. Erbschocken. Krebse. Hammelfleisch. Leber-Kuchen. Geschnittener Ochsen-Kopf.“ Zum zweiten Gang reichte man „Kalbfleisch. Gekochte junge Hühner. Pastete von Ochsenzungen. Hirschbraten, Gebratene Rehkeule. Lammbraten. Reh-Wildpret. Ochsen-Kaldaunen. Pflaumen-Kuchen. Stachelbeeren-Torte. Hirsch-Wildpret. Ochsen-Klauen. Gekochte Karautschen.“[11] Geben wir uns der Hoffnung hin, dass auch ein Magenbitter zum Repertoire der Getränke gehörte.
Lustbarkeiten zwischen Ring-Rennen und Jagd
Nach unserem Ausflug in die Welt der „Küchen-Zettel“ widmen wir uns wieder der Hochzeit in Weimar im Jahr 1625: Am Dienstag, den 24. Mai ging es weiter. Der Morgen begann mit einem Frühstück über dessen Opulenz die Quellen leider nichts preisgeben. Danach waren dann wieder die Trompeter im Einsatz, die zur Hochzeits-Predigt bliesen. Natürlich waren dazu wieder alle wichtigen Gäste geladen. Braut und Bräutigam wurde der Hochzeitssegen erteilt. Die Musik spielte, der Bräutigam ließ die Morgengabe überreichen, und die Gäste übergaben weitere Geschenke. Allseits gab es Dankesbekundungen, und man begab sich zum Essen, das in ähnlicher Form ablief wie am Vorabend mit abschließendem Tanz.
Die ab 1619 errichtete Schlosskapelle mit der Orgel über dem Altar. Ölgemälde von Christian Richter, um 1660
Auch am 25. und 26. gab es noch zahlreiche Vergnügungen für die versammelte Hochzeitsgesellschaft. Am Mittwoch war es ein „Ring-Rennen“, zu dem sich die Männer einfanden. „Fürstl. und ander Frauenzimmer“ konnten „in denen noch unversehrten Gemachen im alten Schloß zusehen“.[12] Das „Ring-Rennen“ geht auf eine Wettkampfform mittelalterlicher Turniere zurück und wurde speziell bei Hochzeitsfeierlichkeiten bis ins 17. Jahrhundert hinein praktiziert.
Der Donnerstag brachte der versammelten Gesellschaft eine Predigt, Essen und verschiedene Vergnügungen. Am Freitag blies man zur Jagd, bei der Johann Casimir der Abschuss eines kapitalen 18-Enders gelang, wie die Anhaltinische Chronik nicht ohne einen gewissen Stolz vermeldet.[13]
Die Jagd war der krönende Abschluss der Hochzeitsfeierlichkeiten. Mit ihr wurde das Ende der Festlichkeiten eingeläutet. Die Hochzeitsgesellschaft löste sich langsam aber sicher auf, und für das frischgebackene Ehepaar begann der Alltag in Zeiten des Krieges.
Weimar und seine Schlösser
1623 also gab es in Weimar kein vollständiges Residenzschloss. 1618 war die einstmals von Kurfürst Johann Friedrich I. (1503–1554) zum Renaissance-Schloss ausgebaute Burg zur Hälfte abgebrannt. Zwar begann Johann Ernst I. (1594–1626) bereits 1619 mit einem Wiederaufbau, aber der war zum Zeitpunkt der Hochzeit noch nicht sehr weit gediehen und ab 1630 ging es gar nicht mehr vorwärts. Man musste dem Krieg Tribut zollen, einzig die Kapelle des Schlosses war fertiggestellt.
Unser Bräutigam – Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar beauftragte im Jahr 1651 den Baumeister Johann Moritz Richter den Älteren (1620–1667) mit dem Weiterbau, aber auch dem war kein wirkliches Glück beschieden, denn die „Wilhelmsburg“ litt, genau wie ihr Erbauer, unter Geldmangel.
Zwar beschreibt Carl Eduard Vehse in den 1850er-Jahren eben diese Wilhelmsburg als „ein stattliches Schloß mit Wällen, Außenmauern und Wassergräben umschlossen, das 123 Jahre gestanden hat“[14], aber ganz so war es nicht, denn fertiggestellt wurde sie nie, diese neue Burg.
1774, am 6. Mai, kam dann ihr beinah endgültiges Ende: die Wilhelmsburg wurde erneut durch einen Brand zerstört. Es wäre wohl wirklich das Ende gewesen, denn Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757–1828) liebäugelte mit einem Neubau. Ihre Rettung und ihren Wiederaufbau verdankt die Wilhelmsburg nicht zuletzt der eingesetzten Schlossbaukommission und einem jungen ambitionierten und zugereisten Mann namens Johann Wolfgang Goethe (1749–1832).
Residenzschloss Weimar von Südost aus, um 1845. Künstler: J. W. Appleton
So wenig, wie das Weimarer Stadtschloss noch das gleiche ist wie das zur Zeit der Hochzeit von Wilhelm und Eleonora Dorothea, so wenig ist es auch das Wittumsschloss, in das einige der Hochzeitsgäste zum Essen ausquartiert wurden. Das Wittumspalais, das man heute in Weimar findet, geht auf Herzogin Anna Amalia (1739–1807) zurück. Sie kaufte 1775 das Stadtpalais, das Minister Jakob Friedrich von Fritsch (1731–1814) erst vor wenigen Jahren hatte errichten lassen. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1807 lebte sie hier und hielt hier auch ihre berühmten Tafelrunden ab. Goethe, Herder und Schiller waren hier so manches Mal zu Gast.
An das wunderschöne Jagd- und Lustschloss Belvedere, das wir heute wenige Kilometer von Weimars Innenstadt entfernt bewundern können, dachte übrigens zu Zeiten Wilhelms noch niemand. Diese barocke Anlage wurde erst in den Jahren 1724 bis 1744 für Herzog Ernst August I. (1688–1748) errichtet.
Man sieht: Heiraten und Festmähler in Zeiten des Krieges waren nicht immer ganz einfach zu bewerkstelligen, selbst dann nicht, wenn man ein Herzogtum sein Eigen nannte. Die Lust am Feiern aber hat man sich trotzdem nicht nehmen lassen.
Text: Dr. Anja Kircher-Kannemann
[1] Johann Christoph Becmann: Historie des Fürstenthums Anhalt. 5.-7. Teil. Zerbst 1710. S. 231. Der angesprochene Herzog Christian von Braunschweig (1599-1626) wurde bekannt als der „Tolle Christian“ oder auch „Toller Halberstädter“. Er zählt zu den bekanntesten Feldherrn des Dreißigjährigen Krieges und kämpfte auf Seiten der Protestanten gegen die Katholische Liga.
[2] Ebd. S. 231. Die in der Quelle genannten Brüder der Braut sind Johann Kasimir (1596–1660), verheiratet mit Agnes von Hessen-Kassel, und Georg Aribert (1606–1643).
[3] Johann Christian Lünig: Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum. Bd. 2. S. 387.
[4] Ebd. S. 387.
[5] Ebd. S. 388.
[6] Ebd. S. 388.
[7] Ebd. S. 388.
[8] Ernst von Malortie: Das Menu. 3., erw. Aufl. Hannover 1888.
[9] Michael Bojcov: [Artikel] Lebenslauf (Geburt, Taufe, Volljährigkeit, Hochzeit, Tod). In: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Bilder und Begriffe, Teilbd. 1: Begriffe. Hrsg. von Werner Paravicini. Ostfildern 2005. (Residenzenforschung. Bd. 15.II.). S. 489–492, hier S. 489 f.
[10] Ebd. S. 220–223.
[11] Ebd. S. 221 f.
[12] Lünig, Theatrum Ceremoniale, S. 388.
[13] Becmann, Historie des Fürstenthums Anhalt, S. 231.
[14] Eduard Vehse: Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation. Bd. 28, Abt. 5: Sachsen. Teil 1. Hamburg 1854. S. 32.