Barocke Fülle in der fränkischen Provinz – Schloss Weissenstein, Pommersfelden
Weil sich zum Wochenende Gäste angesagt haben, kaufe ich ein, rühre, schäle, schnippele, backe, brate, koche, was eben an Vorbereitungen so nötig ist. Ich stehe in meiner Küche, freue mich, dass ich die Temperatur im Backofen ebenso genau regeln kann wie auf den Herdplatten. Das Wasser kommt aus der Leitung und der Strom aus der Steckdose. Auch wenn ich eine Menge vorbereiten muss, habe ich viele Geräte, die mir das Kochen einfach machen. Das war nicht zu allen Zeiten der Fall: Noch meine Großmutter kochte auf einem mit Holz und Kohle befeuerten Herd, mit dem sie allerdings – im Gegensatz zu mir heute – sehr gut zurechtkam.
Was ich einkaufe und koche, entscheide ich selbst. Die meisten Obst- und Gemüsesorten gibt es in barocker Fülle das ganze Jahr über, ich kann kaufen und essen, was ich möchte. Das war nicht immer so: Während Bauern, Dienstboten und Handwerker froh waren, wenn sie genügend Brot und Getreidebrei auf den Tisch stellen konnten, futterten sich Adel und besonders der Hochadel buchstäblich um Kopf und Kragen. Dass Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn gut und gerne aß, kann er nicht verleugnen. Die Portraits im Schloss Weißenstein zu Pommersfelden zeigen ihn als recht beleibten Mann.
Gruß in die Küche
Die Küche war zu dieser Zeit nicht im Schloss selbst, sondern in einem etwas entfernten Nebengebäude untergebracht. Zu groß war die Angst vor einem Brand, standen doch nicht nur die Töpfe und Pfannen auf Öffnungen, unter denen ein lustiges Feuer prasselte, sondern auch die Schweine und Ochsen wurden vor den offenen Flammen geröstet. Auch wenn das Schloss selbst aus festem Stein errichtet war, gab es genügend brennbares Interieur.
Längst ist jedoch die Küche im Schloss untergebracht. Kommen die jungen Musikanten jährlich zur Sommerakademie, werden sie hier bekocht und versorgt. Wer einen Blick in die – ansonsten nicht zugängliche – Küche erhaschen möchte, bitte sehr, auch das ist möglich: Sie diente 2007 für die Verfilmung von »Zwerg Nase« als Kulisse.
Stillleben auf der großen Tafel
Die große Tafel im Speisesaal ist festlich mit echt venezianischen Muranogläsern, böhmischen Gläsern und Frankenthaler Porzellan gedeckt. Dass damals, so vor nicht ganz 300 Jahren, die Teller noch von Hand gefertigt wurden, kann man sehen. Der Museumsführer weist in seiner Führung eigens darauf hin, dass sämtliche Teller zwar etwas schief und verzogen, dafür aber wunderschön bemalt sind. Ein barocker Garten en miniature aus Nymphenburger Porzellan schmückt dekorativ den Tisch. Die vollen Schüsseln und Platten, von denen es einst dampfte, müssen sich die Besucher heute vorstellen. Essbares steht jedenfalls nicht auf dem Tisch. Gegessen wurde damals übrigens nicht nur das Fleisch vom Wild, sondern quasi alles, was sich bewegt hat und essbar war. Ob Igel, Eichhörnchen oder Froschschenkel. »In barocken Kochbüchern ist von röschen Frösch die Rede«, weiß Marketingfrau Antoinette Fehlinger – und in den Weihern, die zum Schloss gehören, wohnen bis heute viele Frösche und veranstalten sommers ein fröhliches Quakkonzert.
Im kuscheligen Blumenkabinett, einem der wenigen kleineren Schlossräume, die heizbar waren, hängen Stillleben mit Blumen, Früchten und Wildbret. Der Hummer mit Weinglas wirkt ebenso echt wie das Frühstück mit Austern.
Logistische Meisterleistung
Frei nach dem Motto: »Man isst, was man ist«, strebten die Köche im Schloss danach, den Gaumen von Fürstbischof und Gästen zu erfreuen und orientierten sich am französischen Hof als Vorbild. Was genau zu offiziellen Anlässen bei Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn auf den Tisch kam, ist nicht bekannt. Man weiß aber, dass bis zu vierzig Gerichte gleichzeitig aufgetragen wurden: »Ein solches Essen zog sich über Stunden hinweg«, berichtet Antoinette Fehlinger. Zur Vorspeise wurden vier unterschiedliche Suppen serviert, neben Fischen galten in der Fastenzeit auch der Biber und das Reh als Wassertiere, vorausgesetzt, der Jäger hatte sie zuvor im Weiher geschwenkt. Die Köche am barocken Hof hatten eine echte Vertrauensstellung, ebenso wie der Truchsess, der für das Vorlegen der Speisen verantwortlich war.
Noch nicht einmal die Fastenzeit hielt die Herrschaften des Hochadels und der Klöster in der Barockzeit vom Schlemmen ab, damit der Karpfen der bischöflichen Weiher wenigstens nicht über den Tellerrand ragte, wurde er als Spiegelkarpfen mit Rundrücken gezüchtet. Bereits zum Frühstück wurde Wein serviert, Wasser diente den hohen Herren aus Hygienegründen bzw. aufgrund der Belastung mit Keimen noch nicht einmal zum Waschen.
Faszinierende Gemäldesammlung
Mit anderen Worten: Es ging dem Fürstbischof außerordentlich gut. Der dreißigjährige Krieg war schließlich lange vorbei. Weil v. Schönborn den künftigen Kaiser Karl IV. unterstützte, erhielt er von diesem nach seiner Krönung 100.000 Gulden. Damit hatte er genügend Geld in seiner privaten Schatulle, um mit dem Bau von Schloss Weißenstein zu beginnen. Es wurde nicht nur seine Sommerresidenz, sondern beherbergte schließlich eine barocke Sammlung großartiger Gemälde: Der Erzbischof kaufte Gemälde, wie manche Menschen heutzutage Schuhe. Auf diese Weise entstand eine der größten privaten Sammlungen barocker Bilder, von denen – nach einer Erbteilung im 19. Jahrhundert – immer noch rund 600 im Schloss hängen. Alles, was damals in der Malerei Rang und Namen hatte, kaufte Lothar Franz von Schönborn und schmückte die Wände. Van Dyke, Rubens, Tizian, Rembrandt und Caravaggio sind nur einige der bekannten Namen. Da der Fürstbischof alles aus privaten Mitteln finanzierte, konnte er Schloss und Sammlung später an seine Neffen vererben. Sie befinden sich bis heute im Privatbesitz der Familie von Schönborn.
Ein Treppenhaus-Schatz
Auch wenn Schloss Weißenstein einen halben Tagesritt von Bamberg entfernt errichtet und sich somit bis heute in der wenig beachteten Provinz befindet, ist es architektonisch eines der Hauptwerke des Barock. Das prunkvolle Treppenhaus über ganze drei Etagen wurde vom Fürstbischof selbst nach Versailler Vorbild geplant: Hier konnte er seinen Auftritt standesgemäß zelebrieren. Lothar Franz von Schönborn stand oben, über dem Löwenkopf und begrüßte von hier seine Gäste. Deren Rang bestimmte, wem der Fürstbischof wie viele Stufen entgegenkam und wer sich zu ihm nach oben buckeln musste. Wie ein Theater aufgebaut, wird das Treppenhaus von einem Fresko gekrönt. In 35 Meter Höhe spendet Apoll als Sonnengott auf seinem Schimmel das Licht, umgeben von den vier bis dahin bekannten Kontinenten. Die eigentliche Bauzeit für Schloss Weißenstein betrug gerade einmal sieben Jahre, von 1711 – 1718, anschließend diente es als Vorbild für die Würzburger Residenz.
Das 300 Jahre alte Schloss Weißenstein bei Pommersfelden ist für Besucher in den Sommermonaten täglich von 9.30 bis 17 Uhr geöffnet. Da es als reines Sommerschloss nicht beheizt werden kann, finden zwar im Winter ebenfalls Führungen statt, sie sind jedoch deutlich kürzer.
Service
Führungen durch das Hauptgebäude mit der imposanten Treppenanlage werden zu jeder vollen Stunde angeboten, die letzte startet um 16 Uhr. Der Eintritt inklusive Führung kostet sieben Euro, ermäßigt sechs, Kinder unter sechs Jahren sind frei.
April bis Oktober
Montag bis Freitag: 9.30 – 17.00 Uhr
Samstag, Sonntag, Feiertag: 9.30 – 18.00
Führungen immer zur vollen Stunde ab 10.00 Uhr (Dauer 1h)
November bis März:
Montag bis Freitag: 10.00 – 15.00 Uhr (halbstündige Kurzführungen)
Führungen außerhalb der Öffnungszeiten jederzeit auf Anfrage.
Internet
Website von Schloss Weissenstein
Schön, dass das Ensemble so erhalten werden konnte. In Veröffentlichungen und bei Führungen wird betont, dass die Beschaffung aus privaten Mitteln erfolgte. Auch Sie schreiben: „Da der Fürstbischof alles aus privaten Mitteln finanzierte, konnte er Schloss und Sammlung später an seine Neffen vererben. Sie befinden sich bis heute im Privatbesitz der Familie von Schönborn.“ Es ist aber doch so, dass der größte Teil der Mittel für den Bau eine Gegenleistung für die Unterstützung Karl VI. war, also für die (hoffentlich) pflichtgemäße Ausübung des Staatsamtes eines Kurfürsten. Und die Zuwendung hat der Kaiser doch sicher aus Zwangsabgaben welcher Natur auch immer von seinen Untertanen eingezogen. Warum gilt das Schloss dann dennoch als Privatbesitz?