Küchen- bzw. Nutzgärten nehmen innerhalb der Gartenkunstgeschichte eine besondere Rolle ein. Ihre Denkmalbedeutung gelangte nur langsam in das Bewusstsein der Menschen. Über einen langen Zeitraum lagen vor allem Lust-, Ziergärten und Parks im Fokus der Wissenschaft. Dabei ist der Küchengarten die „Keimzelle“ des Gartens schlechthin. Sein praxisorientierter Anfang geht sicher bis zu den alten Ägyptern zurück.
Meist als „Wurtzgarten“ bezeichnet, hatte er bereits im Mittelalter seinen festen Platz nahe einer Burg oder anderen geistlichen wie herrschaftlichen Sitzen. In der Literatur findet sich die planerische Darstellung eines klösterlichen Küchen- und eines Kräutergartens erstmals auf dem Klosterplan von St. Gallen, aus der Mitte des 9. Jahrhunderts. Hier sind Nutz-, Kräuter und Blumengarten, aber auch Obst- und Weingärten einzeln und nebeneinander abgebildet. Wenn auch nicht sicher ist, ob es sich um einen Entwurf oder eine tatsächlich ausgeführte Klosteranlage handelt, beinhaltet er doch eine zu dieser Zeit überragende wissenschaftlichen Kenntnis über die Heil- und Gartenkultur.
Sankt Galler Klosterplan, Quelle: Wikipedia
Die einzelnen Gärten wurden hier ihren Zweckdienlichkeiten zugewiesen. So findet sich neben dem „Arzthaus“ der Heilkräutergarten, und der Gemüse- oder Nutzgarten liegt in der Nähe der Küche.
Blumen-, Gemüse-und Kräutergarten
Während es sich hier um eine durchweg idealtypische Klosteranlage handelt, die alle wesentlichen Einrichtungen enthält, muss man davon ausgehen, dass im Allgemeinen die Nutz- oder Küchengärten durchaus eine Mischung aus Blumen-, Gemüse- und Kräutergarten waren – und dies nicht nur in Klostergärten, sondern auch in den fürstlichen Residenzen.
Oft mit einer Hecke oder einem Gatter umfriedet, war der Gartenbereich in einzelne Felder untergliedert, die sich oft um einen in der Mitte befindlichen Brunnen oder runden Platz gruppierten. In den Quartieren enthalten waren Heilkräuter, Gewürz- und Gemüsepflanzen, die auch durch ihre mannigfaltige Blütenpracht das Auge erfreute. Im Allgemeinen versorgte ein Küchengarten die Bewohner mit Gemüse, Kräutern, Obst, aber auch Wein und Blumen. Damit bildet er von altersher die Ernährungsgrundlage und sichert seinen Besitzern nicht nur in Krisenzeiten das Überleben.
Kräutergarten in Kloster Seligenstadt, (c) VSG, Foto: Oliver Heimann
Duft, Blütenfarbe und Gestalt der Pflanzen wurden im Mittelalter aber auch durch das Wissen ihrer sinnlichen Werte oder symbolischen Bedeutung angepflanzt. So trifft man z.B. auf die weiße Lilie, die auf Abbildungen der hochmittelalterlichen Gartendarstellungen sowohl als Sinnbild der Jungfräulichkeit als auch der Liebe und Vergänglichkeit nicht fehlen durfte, oder die Rose, die das Christentum symbolisierte, aber auch als Heilpflanze bzw. bei der Zubereitung von Nahrung diente.
Der reine Küchengarten
Erst im 17. Jahrhundert verbreitete sich die Anlegung von reinen Küchengärten. Doch noch zu Beginn der Renaissancezeit kann man davon ausgehen, dass es nur selten reine Gemüsegärten gab. Im Folgenden entwickelte sich dann aus dem gemeinen Küchengarten mehr und mehr ein Lust- und Ziergarten, wodurch sich der eigentliche Küchengarten zum eigenständigen Nutzgarten etwas außerhalb der Gartenanlage entfaltete. Allerdings gab es nach wie vor viele Kräuter- und Gemüsesorten, die als Zierpflanzen in den Schmuckgärten ihre Daseinsberechtigung fanden. Zudem „übersprangen“ Pflanzen häufig die gestalterischen Grenzen. So hat man sich sicherlich nicht einen abrupten Wechsel vom Küchengarten zum Lustgarten (bzw. auch umgekehrt) vorzustellen. Es ist wahrscheinlicher, dass sich dieser Wandel eher schleichend vollzogen hat.
Kräutergarten mit Blumen in Schloss Weikersheim, (c) SSG, Foto: Sonja Wünsch
Später, als sich immer stärker eine Trennung zwischen Gemüse- und Ziergarten herauskristallisierte, veränderten sich die Beete der Nutzgärten, oft aus der Pflege und dem Ertragsstreben beim Anbau heraus. Dies führte aufgrund der Pflege und des Ertragsstrebens beim Anbau oft zu regelmäßigen schmalen Beetstrukturen, die von ebenfalls schmalen, einfachen Wegen gegliedert wurden. Nicht selten fasste man diese Beete zunächst mit Holzlatten, später dann mit Ziegelmauern ein, die mit Fensterscheiben abgedeckt zu Frühbeeten wurden.
Der Nutzgarten wird zum Park
Im 20. Jahrhundert verloren die einst vielfältigen Küchen- und Kräutergärten der Residenzen, ehemaligen Klöster und herrschaftlichen Wohnsitze durch die Veränderungen in der Nutzung oder auch durch neue Rahmenbedingungen ihre ursprünglich auf die Versorgung der fürstlichen Haushalte ausgerichteten Bewirtschaftungen. Oft wurden die Flächen den sie umgebenden Parkanlagen eingegliedert, parzelliert oder veräußert. Im schlimmsten Fall wurden sie überbaut und verschwanden damit völlig.
Im Gutshaus Stolpe wird der Koch zum Gärtner, (c) Gutshaus Stolpe
Mit dem wiedererwachten Bewusstsein für die Bedeutung von Küchengärten in den historischen Parkanlagen und die medizinische Nützlichkeit der angepflanzten Heilkräuter kommt es seit den 1990-Jahren vielerorts zu Wiederherstellungen von Küchen- und Kräutergärten in ihrer historischen Form und mit den typischen Pflanzen.
Im Folgenden werden einige aus den Mitgliedergärten vorgestellt:
Der Küchengarten von Schloss Basthorst
Die ursprüngliche Anlage wurde 1825 als Herrenhaus gebaut. Bis das heutige Schloss nach 1989 zum Tagungshotel wurde, hatte es zahlreiche Umgestaltungen erfahren, von denen die im unteren Stockwerk bestehenden Jungenstilräume nicht berührt wurden.
Frische Kräuter in Schloss Basthorst, (c) Schloss Basthorst
Der sich anschließende Landschaftspark endet am Gambecksee und ist heute nach alten Plänen restauriert. Eine historische Fotografie aus dem Jahr 1870 zeigt einen Obstgarten. 2008/2009 wurde ein Küchengarten vom Gärtner angelegt, der sich mit seinen Kräutern an die klassischen Vorbilder hält und in dem Küchenkräuter wie Thymian, Majoran, Liebstöckel, Zitronenmelisse, Minze, Petersilie, Schnittlauchund Rosmarin gedeihen. Zudem wurde auch noch Meerrettich und Rhabarber angepflanzt. Alles wird in der dortigen Hotelküche verwendet.
Gutshaus Stolpe an der Peene
Als ehemaliges Klostergut wurde Gut Stolpe 1720 persönliche Domäne des preußischen „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I. Mitte des 19. Jahrhunderts erwarb es die Familie von Bülow, die das „Gutshaus“ errichtete. 1926 ging dieses an die Familie Stürken, die das verschuldete Gut wieder instand setzte. 1945 musste Kurt Stürken Stolpe verlassen, und erst 1990 kehrte sein Sohn zurück.
Der Muschelgarten des Gutshauses Stolpe
Der heutige Küchengarten befindet sich hinter der Küche des Guthauses und wird vom Küchenteam des Sternekoches Björn Kapelke höchst selbst bepflanzt, gepflegt und geerntet. Angebaut werden beispielsweise Lorbeer, Minze, Salbei, Sauerklee und viele weitere Kräutersorten. Aus dem Sauerklee entsteht z.B. auf der Gourmetkarte das Dessert „Sauerklee mit Himbeere, Joghurt und Lavendel“.
Der Wildkräutergarten des Gutshauses Ehmkendorf
Das ursprünglich 1790 erbaute Gutshaus in Ehmkendorf erfuhr 1864 den Umbau im Neogotikstil, gehörte damals zum Gut Stubbendorf und wurde als Meierei genutzt.
Manchmal gibt es auch unkonventionelle Beete wir hier im Gutshaus Ehmkendorf, (c) Gutshaus Ehmkendorf, Fotografin Jana Bath
Als Gutshaus hat es mit Sicherheit einen Gemüse- und Kräutergarten besessen, und so lag es nahe, dass 2007 mit der Einrichtung eines
Wildkräuterhotels im ehemaligen Nutzgarten ein gestalteter Kräutergarten als Herzstück der Anlage entstand. Der großzügige Wildkräutergarten liefert heute die Zutaten für die vegetarische Küche des Gutshauses.
Der Kräuter- und Gemüsegarten von Kloster Michaelstein
Ursprünglich ein Zisterzienserkloster, bewirtschafteten die Mönche neben einem Nutzgarten auch einen eigenen Kräutergarten. Letzteres war schon allein deshalb sinnvoll, weil sie bereits im 13. Jahrhundert ein Hospiz besaßen und ihre Kräuter als Heilmittel einsetzten. Der 1990 rekonstruierte 800 m2 große Kräutergarten befindet sich an der Südseite des Klostergebäudes und wurde nach historischen Vorlagen angelegt. Unter den ca. 260 verschiedenen, wärmeliebenden Kräutern findet der heutige Besucher auch Heilkräuter, wie sie seit dem Mittelalter Verwendung fanden.
Kloster Michaelstein, (c) Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
Entsprechend der gefundenen historischen Quellen aus dem 18. Jahrhundert wurde auf der Ostseite des ehemaligen Klosters im Jahr 2000 der Gemüsegarten wiederhergestellt. Die etwa 100 angebauten Pflanzen repräsentieren eine Auswahl der zu „Mönchszeiten“ verwendeten „einfachen Hausgemüse und Ackerfrüchte“. Hierzu zeigt der Garten einige Feldfrüchte, Getreide, Obstsorten und essbare Blütenpflanzen.
Der Kräuter- und Gemüsegarten von Kloster Altzella
Das Kloster ist heute eine Mischung aus romantischem Park mit Ruinen und renovierten Klostergebäuden. Dazu gehört auch der seit 2013 neuangelegte Kräutergarten.
Kräuterfrau Koreen Vetter im Klosterpark Altzella, Nossen (c) Schlösserland Sachsen
Auch die Klosteranlage Altzella war ursprünglich ein ehemaliges Zisterzienserkloster.
Die Küchengärten im Wörlitzer Gartenreich
Zu den von der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz betreuten Ensembles von Schlössern und Gärten des einstigen Fürstenhauses Anhalt-Dessau gehörten mehrere Küchengärten. Schlosses Oranienbaum hatte bereits im 17. Jahrhundert seinen Küchengarten, und in Mosigkau wurden um die Mitte des 18. Jahrhunderts verschiedene Teile des dortigen Schlossgartens für die Kultivierung von Obst und Gemüse eingerichtet. Auch die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert gestalteten Wörlitzer Anlagen und der Park Luisium beinhalteten Küchengärten, welche dort in die landschaftliche Gestaltungskomposition integriert worden sind.
Spalierobst im Küchengarten in den Wörlitzer Anlagen, Foto: Michael Keller
In den letzten Jahren entstanden verschiedene Bestrebungen, die vielfältigen Facetten des Gartenreiches Dessau-Wörlitz wieder lesbarer und damit einer breiten Öffentlichkeit bewusst zu machen. Besonders anschaulich sind die innerhalb der Parks, aber auch in der sie umgebenden Kulturlandschaft anzutreffenden Obstpflanzungen, welche sich hier in großer Sortenvielfalt und in vielgestaltiger Form von straßenbegleitenden Baumreihen bis zum Spalierobst zeigen. Im Park Luisium konnte kürzlich eine Teilfläche des historischen Wirtschaftsgartens wieder im ursprünglichen Sinne in Kultur genommen werden. Der Verein Urbane Farm Dessau e.V. praktiziert dort in Kooperation mit der Kulturstiftung Gemüseanbau nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft unter Einbeziehung historischer Aspekte und in Abstimmung mit den gartendenkmalpflegerischen Erfordernissen.
Der Konventgarten im Kloster Seligenstadt
Das im 17. und 18. Jahrhundert zur Hochblüte sich entwickelnde Kloster Seligenstadt besaß ebenso wie alle anderen Klöster seit Anbeginn einen Klostergarten. Mit dem Bau einer Orangerie im 18. Jahrhundert entwickelte sich hinter dem Gebäude ein Nutzgarten, der nach der Säkularisation vernachlässigt wurde und später nur noch ein „Schattendasein“ führte – bis 1986.
Auf der Grundlage des Kupferstiches von Johann Stridbeck sowie ausführlicher Quellenforschung und Grabungen konnte der Konventgarten in Teilschritten rekonstruiert werden. Viel Wert wurde dabei auf die historische Pflanzenverwendung gelegt. So findet der heutige Besucher in dem ca. 8000 m² große Nutzgarten von Buchsbaum gerahmte Beete, die neben Gemüse, wie Porree, Sellerie, Möhren, Buschbohnen und Kohl auch Blumenrabatten und Hochstammrosen zeigen. Entlang der östlichen Klostermauer wurde ein Färbergarten angelegt, in dem Pflanzen gezeigt werden, die beim Färben von Textilien, aber auch als Lebensmittel, Kosmetika oder Papier Verwendung fanden. Außerdem sind an den, den Konventgarten umgebenden Mauern Obstspaliere mit alten Obstsorten angebracht.
Der Konventgarten von Kloster Seligenstadt, (c) VSG, Foto: Oliver Heimann
Bis 1999 konnte auch der ehemalige „Apothekergarten“ in seiner äußeren Gestalt dem Zustand des 18. Jahrhunderts entsprechend rekonstruiert werden. Der über Jahrhunderte lang bestehende Gartenteil belieferte die Apotheke im ehemaligen Krankentrakt des Klosters mit Heilkräutern.
Der Klostergarten von Kloster Lorsch
Im Gegensatz zu den Klöstern Michaelstein und Altzell war Lorsch ursprünglich eine Benediktinerabtei, die gemäß ihrer Regel „Bete und arbeite“ ebenfalls einen Klostergarten besessen haben wird. Seit 1991 gehören die Reste des Klosters mit seiner karolingischen Torhalle zum Weltkulturerbe der UNESCO. 2013 wurde sein größter Schatz, das „Lorscher Arzneibuch“ aus dem 8. Jahrhundert dem UNESCO Weltdokumentenerbe in Deutschland zugefügt. Dies war Anlass genug hinter der Zehntscheune einen großen neuen Kräutergarten anzulegen, der die im Arzneibuch von Lorsch aufgeführten Heilkräuter beherbergt.
Der Küchengarten von Schloss Weikersheim
Seit dem Jahr 1602 lässt sich die traditionelle Zugehörigkeit verschiedener Nutzflächen zum Schlossgarten Weikersheim schriftlich belegen. Im Laufe der Zeit verlagerten sich die wenig repräsentativen Flächen weiter an den Rand des Gartens. Direkt neben dem Gärtnerhaus gewann man 1708 durch die Auffüllung des Stadtgrabens eine neue Fläche für den Küchengarten und baute ein neues Gewächshaus. Das Haus mit der Stadtmauer als Rückseite wurde bis 1756 zweimal erneuert.
Ausschnitt aus dem Küchengarten von Schloss Weikersheim, (c) SSG, Foto: Niels Schubert
Gräfin Magdalena von Hohenlohe (1547 – 1633) baute in ihrem Küchengarten auch Nutz-und Heilpflanzen an. Noch heute wachsen im Küchengarten Gemüse- und Kräutersorten, die zum Teil damals angebaut und in der Schlossküche verwendet wurden und von Besuchern und Besucherinnen heute betrachtet werden können.
Der Kräutergarten von Schloss Dennenlohe
Zusammen mit dem Umbau der ursprünglichen Wasserburg ab 1734 in ein Barockschloss entstanden auch ein barocker Park und ein Orangeriegebäude. Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Barockgarten, dem Zeitgeschmack entsprechend, in einen Landschaftspark verändert.
Kräutergarten im Gutshof von Schloss Dennenlohe, (c) Schloss Dennenlohe
Der sich an den barocken „Gutshof“ anschließende historische Gemüse- und Kräutergarten, wurde 2004 liebevoll restauriert und bietet nun im Sommer eine Fülle seltener Kräuter und Gemüsesorten. Besonders erwähnenswert sind die alten Sorten von roten Kartoffeln und die frischen Kräuter, die im Marstall, im Biergarten auf einem Butterbrot oder als Pestosauce probiert werden können.
Text
Monica Freifrau Geyr von Schweppenburg, Dipl.Ing (FH), spezialisiert auf Gartendenkmalpflege
Historische Kräuter- und Küchengärten
Küchen- bzw. Nutzgärten nehmen innerhalb der Gartenkunstgeschichte eine besondere Rolle ein. Ihre Denkmalbedeutung gelangte nur langsam in das Bewusstsein der Menschen. Über einen langen Zeitraum lagen vor allem Lust-, Ziergärten und Parks im Fokus der Wissenschaft. Dabei ist der Küchengarten die „Keimzelle“ des Gartens schlechthin. Sein praxisorientierter Anfang geht sicher bis zu den alten Ägyptern zurück.
Meist als „Wurtzgarten“ bezeichnet, hatte er bereits im Mittelalter seinen festen Platz nahe einer Burg oder anderen geistlichen wie herrschaftlichen Sitzen. In der Literatur findet sich die planerische Darstellung eines klösterlichen Küchen- und eines Kräutergartens erstmals auf dem Klosterplan von St. Gallen, aus der Mitte des 9. Jahrhunderts. Hier sind Nutz-, Kräuter und Blumengarten, aber auch Obst- und Weingärten einzeln und nebeneinander abgebildet. Wenn auch nicht sicher ist, ob es sich um einen Entwurf oder eine tatsächlich ausgeführte Klosteranlage handelt, beinhaltet er doch eine zu dieser Zeit überragende wissenschaftlichen Kenntnis über die Heil- und Gartenkultur.
Sankt Galler Klosterplan, Quelle: Wikipedia
Die einzelnen Gärten wurden hier ihren Zweckdienlichkeiten zugewiesen. So findet sich neben dem „Arzthaus“ der Heilkräutergarten, und der Gemüse- oder Nutzgarten liegt in der Nähe der Küche.
Blumen-, Gemüse-und Kräutergarten
Während es sich hier um eine durchweg idealtypische Klosteranlage handelt, die alle wesentlichen Einrichtungen enthält, muss man davon ausgehen, dass im Allgemeinen die Nutz- oder Küchengärten durchaus eine Mischung aus Blumen-, Gemüse- und Kräutergarten waren – und dies nicht nur in Klostergärten, sondern auch in den fürstlichen Residenzen.
Oft mit einer Hecke oder einem Gatter umfriedet, war der Gartenbereich in einzelne Felder untergliedert, die sich oft um einen in der Mitte befindlichen Brunnen oder runden Platz gruppierten. In den Quartieren enthalten waren Heilkräuter, Gewürz- und Gemüsepflanzen, die auch durch ihre mannigfaltige Blütenpracht das Auge erfreute. Im Allgemeinen versorgte ein Küchengarten die Bewohner mit Gemüse, Kräutern, Obst, aber auch Wein und Blumen. Damit bildet er von altersher die Ernährungsgrundlage und sichert seinen Besitzern nicht nur in Krisenzeiten das Überleben.
Kräutergarten in Kloster Seligenstadt, (c) VSG, Foto: Oliver Heimann
Duft, Blütenfarbe und Gestalt der Pflanzen wurden im Mittelalter aber auch durch das Wissen ihrer sinnlichen Werte oder symbolischen Bedeutung angepflanzt. So trifft man z.B. auf die weiße Lilie, die auf Abbildungen der hochmittelalterlichen Gartendarstellungen sowohl als Sinnbild der Jungfräulichkeit als auch der Liebe und Vergänglichkeit nicht fehlen durfte, oder die Rose, die das Christentum symbolisierte, aber auch als Heilpflanze bzw. bei der Zubereitung von Nahrung diente.
Der reine Küchengarten
Erst im 17. Jahrhundert verbreitete sich die Anlegung von reinen Küchengärten. Doch noch zu Beginn der Renaissancezeit kann man davon ausgehen, dass es nur selten reine Gemüsegärten gab. Im Folgenden entwickelte sich dann aus dem gemeinen Küchengarten mehr und mehr ein Lust- und Ziergarten, wodurch sich der eigentliche Küchengarten zum eigenständigen Nutzgarten etwas außerhalb der Gartenanlage entfaltete. Allerdings gab es nach wie vor viele Kräuter- und Gemüsesorten, die als Zierpflanzen in den Schmuckgärten ihre Daseinsberechtigung fanden. Zudem „übersprangen“ Pflanzen häufig die gestalterischen Grenzen. So hat man sich sicherlich nicht einen abrupten Wechsel vom Küchengarten zum Lustgarten (bzw. auch umgekehrt) vorzustellen. Es ist wahrscheinlicher, dass sich dieser Wandel eher schleichend vollzogen hat.
Kräutergarten mit Blumen in Schloss Weikersheim, (c) SSG, Foto: Sonja Wünsch
Später, als sich immer stärker eine Trennung zwischen Gemüse- und Ziergarten herauskristallisierte, veränderten sich die Beete der Nutzgärten, oft aus der Pflege und dem Ertragsstreben beim Anbau heraus. Dies führte aufgrund der Pflege und des Ertragsstrebens beim Anbau oft zu regelmäßigen schmalen Beetstrukturen, die von ebenfalls schmalen, einfachen Wegen gegliedert wurden. Nicht selten fasste man diese Beete zunächst mit Holzlatten, später dann mit Ziegelmauern ein, die mit Fensterscheiben abgedeckt zu Frühbeeten wurden.
Der Nutzgarten wird zum Park
Im 20. Jahrhundert verloren die einst vielfältigen Küchen- und Kräutergärten der Residenzen, ehemaligen Klöster und herrschaftlichen Wohnsitze durch die Veränderungen in der Nutzung oder auch durch neue Rahmenbedingungen ihre ursprünglich auf die Versorgung der fürstlichen Haushalte ausgerichteten Bewirtschaftungen. Oft wurden die Flächen den sie umgebenden Parkanlagen eingegliedert, parzelliert oder veräußert. Im schlimmsten Fall wurden sie überbaut und verschwanden damit völlig.
Im Gutshaus Stolpe wird der Koch zum Gärtner, (c) Gutshaus Stolpe
Mit dem wiedererwachten Bewusstsein für die Bedeutung von Küchengärten in den historischen Parkanlagen und die medizinische Nützlichkeit der angepflanzten Heilkräuter kommt es seit den 1990-Jahren vielerorts zu Wiederherstellungen von Küchen- und Kräutergärten in ihrer historischen Form und mit den typischen Pflanzen.
Im Folgenden werden einige aus den Mitgliedergärten vorgestellt:
Der Küchengarten von Schloss Basthorst
Die ursprüngliche Anlage wurde 1825 als Herrenhaus gebaut. Bis das heutige Schloss nach 1989 zum Tagungshotel wurde, hatte es zahlreiche Umgestaltungen erfahren, von denen die im unteren Stockwerk bestehenden Jungenstilräume nicht berührt wurden.
Frische Kräuter in Schloss Basthorst, (c) Schloss Basthorst
Der sich anschließende Landschaftspark endet am Gambecksee und ist heute nach alten Plänen restauriert. Eine historische Fotografie aus dem Jahr 1870 zeigt einen Obstgarten. 2008/2009 wurde ein Küchengarten vom Gärtner angelegt, der sich mit seinen Kräutern an die klassischen Vorbilder hält und in dem Küchenkräuter wie Thymian, Majoran, Liebstöckel, Zitronenmelisse, Minze, Petersilie, Schnittlauchund Rosmarin gedeihen. Zudem wurde auch noch Meerrettich und Rhabarber angepflanzt. Alles wird in der dortigen Hotelküche verwendet.
Gutshaus Stolpe an der Peene
Als ehemaliges Klostergut wurde Gut Stolpe 1720 persönliche Domäne des preußischen „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I. Mitte des 19. Jahrhunderts erwarb es die Familie von Bülow, die das „Gutshaus“ errichtete. 1926 ging dieses an die Familie Stürken, die das verschuldete Gut wieder instand setzte. 1945 musste Kurt Stürken Stolpe verlassen, und erst 1990 kehrte sein Sohn zurück.
Der Muschelgarten des Gutshauses Stolpe
Der heutige Küchengarten befindet sich hinter der Küche des Guthauses und wird vom Küchenteam des Sternekoches Björn Kapelke höchst selbst bepflanzt, gepflegt und geerntet. Angebaut werden beispielsweise Lorbeer, Minze, Salbei, Sauerklee und viele weitere Kräutersorten. Aus dem Sauerklee entsteht z.B. auf der Gourmetkarte das Dessert „Sauerklee mit Himbeere, Joghurt und Lavendel“.
Der Wildkräutergarten des Gutshauses Ehmkendorf
Das ursprünglich 1790 erbaute Gutshaus in Ehmkendorf erfuhr 1864 den Umbau im Neogotikstil, gehörte damals zum Gut Stubbendorf und wurde als Meierei genutzt.
Manchmal gibt es auch unkonventionelle Beete wir hier im Gutshaus Ehmkendorf, (c) Gutshaus Ehmkendorf, Fotografin Jana Bath
Als Gutshaus hat es mit Sicherheit einen Gemüse- und Kräutergarten besessen, und so lag es nahe, dass 2007 mit der Einrichtung eines
Wildkräuterhotels im ehemaligen Nutzgarten ein gestalteter Kräutergarten als Herzstück der Anlage entstand. Der großzügige Wildkräutergarten liefert heute die Zutaten für die vegetarische Küche des Gutshauses.
Der Kräuter- und Gemüsegarten von Kloster Michaelstein
Ursprünglich ein Zisterzienserkloster, bewirtschafteten die Mönche neben einem Nutzgarten auch einen eigenen Kräutergarten. Letzteres war schon allein deshalb sinnvoll, weil sie bereits im 13. Jahrhundert ein Hospiz besaßen und ihre Kräuter als Heilmittel einsetzten. Der 1990 rekonstruierte 800 m2 große Kräutergarten befindet sich an der Südseite des Klostergebäudes und wurde nach historischen Vorlagen angelegt. Unter den ca. 260 verschiedenen, wärmeliebenden Kräutern findet der heutige Besucher auch Heilkräuter, wie sie seit dem Mittelalter Verwendung fanden.
Kloster Michaelstein, (c) Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
Entsprechend der gefundenen historischen Quellen aus dem 18. Jahrhundert wurde auf der Ostseite des ehemaligen Klosters im Jahr 2000 der Gemüsegarten wiederhergestellt. Die etwa 100 angebauten Pflanzen repräsentieren eine Auswahl der zu „Mönchszeiten“ verwendeten „einfachen Hausgemüse und Ackerfrüchte“. Hierzu zeigt der Garten einige Feldfrüchte, Getreide, Obstsorten und essbare Blütenpflanzen.
Der Kräuter- und Gemüsegarten von Kloster Altzella
Das Kloster ist heute eine Mischung aus romantischem Park mit Ruinen und renovierten Klostergebäuden. Dazu gehört auch der seit 2013 neuangelegte Kräutergarten.
Kräuterfrau Koreen Vetter im Klosterpark Altzella, Nossen (c) Schlösserland Sachsen
Auch die Klosteranlage Altzella war ursprünglich ein ehemaliges Zisterzienserkloster.
Die Küchengärten im Wörlitzer Gartenreich
Zu den von der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz betreuten Ensembles von Schlössern und Gärten des einstigen Fürstenhauses Anhalt-Dessau gehörten mehrere Küchengärten. Schlosses Oranienbaum hatte bereits im 17. Jahrhundert seinen Küchengarten, und in Mosigkau wurden um die Mitte des 18. Jahrhunderts verschiedene Teile des dortigen Schlossgartens für die Kultivierung von Obst und Gemüse eingerichtet. Auch die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert gestalteten Wörlitzer Anlagen und der Park Luisium beinhalteten Küchengärten, welche dort in die landschaftliche Gestaltungskomposition integriert worden sind.
Spalierobst im Küchengarten in den Wörlitzer Anlagen, Foto: Michael Keller
In den letzten Jahren entstanden verschiedene Bestrebungen, die vielfältigen Facetten des Gartenreiches Dessau-Wörlitz wieder lesbarer und damit einer breiten Öffentlichkeit bewusst zu machen. Besonders anschaulich sind die innerhalb der Parks, aber auch in der sie umgebenden Kulturlandschaft anzutreffenden Obstpflanzungen, welche sich hier in großer Sortenvielfalt und in vielgestaltiger Form von straßenbegleitenden Baumreihen bis zum Spalierobst zeigen. Im Park Luisium konnte kürzlich eine Teilfläche des historischen Wirtschaftsgartens wieder im ursprünglichen Sinne in Kultur genommen werden. Der Verein Urbane Farm Dessau e.V. praktiziert dort in Kooperation mit der Kulturstiftung Gemüseanbau nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft unter Einbeziehung historischer Aspekte und in Abstimmung mit den gartendenkmalpflegerischen Erfordernissen.
Der Konventgarten im Kloster Seligenstadt
Das im 17. und 18. Jahrhundert zur Hochblüte sich entwickelnde Kloster Seligenstadt besaß ebenso wie alle anderen Klöster seit Anbeginn einen Klostergarten. Mit dem Bau einer Orangerie im 18. Jahrhundert entwickelte sich hinter dem Gebäude ein Nutzgarten, der nach der Säkularisation vernachlässigt wurde und später nur noch ein „Schattendasein“ führte – bis 1986.
Auf der Grundlage des Kupferstiches von Johann Stridbeck sowie ausführlicher Quellenforschung und Grabungen konnte der Konventgarten in Teilschritten rekonstruiert werden. Viel Wert wurde dabei auf die historische Pflanzenverwendung gelegt. So findet der heutige Besucher in dem ca. 8000 m² große Nutzgarten von Buchsbaum gerahmte Beete, die neben Gemüse, wie Porree, Sellerie, Möhren, Buschbohnen und Kohl auch Blumenrabatten und Hochstammrosen zeigen. Entlang der östlichen Klostermauer wurde ein Färbergarten angelegt, in dem Pflanzen gezeigt werden, die beim Färben von Textilien, aber auch als Lebensmittel, Kosmetika oder Papier Verwendung fanden. Außerdem sind an den, den Konventgarten umgebenden Mauern Obstspaliere mit alten Obstsorten angebracht.
Der Konventgarten von Kloster Seligenstadt, (c) VSG, Foto: Oliver Heimann
Bis 1999 konnte auch der ehemalige „Apothekergarten“ in seiner äußeren Gestalt dem Zustand des 18. Jahrhunderts entsprechend rekonstruiert werden. Der über Jahrhunderte lang bestehende Gartenteil belieferte die Apotheke im ehemaligen Krankentrakt des Klosters mit Heilkräutern.
Der Klostergarten von Kloster Lorsch
Im Gegensatz zu den Klöstern Michaelstein und Altzell war Lorsch ursprünglich eine Benediktinerabtei, die gemäß ihrer Regel „Bete und arbeite“ ebenfalls einen Klostergarten besessen haben wird. Seit 1991 gehören die Reste des Klosters mit seiner karolingischen Torhalle zum Weltkulturerbe der UNESCO. 2013 wurde sein größter Schatz, das „Lorscher Arzneibuch“ aus dem 8. Jahrhundert dem UNESCO Weltdokumentenerbe in Deutschland zugefügt. Dies war Anlass genug hinter der Zehntscheune einen großen neuen Kräutergarten anzulegen, der die im Arzneibuch von Lorsch aufgeführten Heilkräuter beherbergt.
Der Küchengarten von Schloss Weikersheim
Seit dem Jahr 1602 lässt sich die traditionelle Zugehörigkeit verschiedener Nutzflächen zum Schlossgarten Weikersheim schriftlich belegen. Im Laufe der Zeit verlagerten sich die wenig repräsentativen Flächen weiter an den Rand des Gartens. Direkt neben dem Gärtnerhaus gewann man 1708 durch die Auffüllung des Stadtgrabens eine neue Fläche für den Küchengarten und baute ein neues Gewächshaus. Das Haus mit der Stadtmauer als Rückseite wurde bis 1756 zweimal erneuert.
Ausschnitt aus dem Küchengarten von Schloss Weikersheim, (c) SSG, Foto: Niels Schubert
Gräfin Magdalena von Hohenlohe (1547 – 1633) baute in ihrem Küchengarten auch Nutz-und Heilpflanzen an. Noch heute wachsen im Küchengarten Gemüse- und Kräutersorten, die zum Teil damals angebaut und in der Schlossküche verwendet wurden und von Besuchern und Besucherinnen heute betrachtet werden können.
Der Kräutergarten von Schloss Dennenlohe
Zusammen mit dem Umbau der ursprünglichen Wasserburg ab 1734 in ein Barockschloss entstanden auch ein barocker Park und ein Orangeriegebäude. Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Barockgarten, dem Zeitgeschmack entsprechend, in einen Landschaftspark verändert.
Kräutergarten im Gutshof von Schloss Dennenlohe, (c) Schloss Dennenlohe
Der sich an den barocken „Gutshof“ anschließende historische Gemüse- und Kräutergarten, wurde 2004 liebevoll restauriert und bietet nun im Sommer eine Fülle seltener Kräuter und Gemüsesorten. Besonders erwähnenswert sind die alten Sorten von roten Kartoffeln und die frischen Kräuter, die im Marstall, im Biergarten auf einem Butterbrot oder als Pestosauce probiert werden können.
Text
Monica Freifrau Geyr von Schweppenburg, Dipl.Ing (FH), spezialisiert auf Gartendenkmalpflege