In Schlössern und Gärten zu genießen, heißt auch immer wieder mit den fürstlichen Bewohnerinnen und Bewohnern zu genießen – heute mit der Hofgesellschaft von Sultan Abdül Aziz (1830-1876) in Konstantinopel:
Ctürk kahvesi
Kaffee: Ein Zauberwort unserer Tage, rascher Muntermacher, fast überall verfügbares Freizeitgetränk. Über die Qualität des braunen Trunkes aus oftmals ›zu Tode‹ gerösteten und zu Atomen vermahlenen Bohnen schweige ich besser. Wer mahlt die Kaffeebohnen heute noch selbst und brüht den Kaffee dann mit kochendem Wasser auf, verfeinert vielleicht mit etwas Kardamom, Zimt oder Nelken (ich mache das so) – eine kleine zusätzliche Arbeit, die sich lohnt. Duftender Kaffee ist das Ergebnis…
Spätestens als das Osmanische Reich und das deutsche Kaiserreich vor mehr als einhundert Jahren auf vielen Gebieten immer enger zusammenarbeiteten, wurde in es Deutschland Mode, türk kahvesi, der hier zu lande ›Mokka‹ (nach der ehemals osmanischen, heute jemenitischen Hafenstadt al-Muḫā) genannt wurde, zu trinken. Die arabisch-osmanische Kaffeekultur ist legendär. Sultan Abdühamid II. (1842-1918) bezog seinen Kaffee von den großherrlichen Plantagen in der Nähe von Lohadscha (Lahidsch) im Jemen, er galt als exzellent.
»Zwischen Orient und Ostsee«
Vor einigen Jahren habe ich unter dem Titel »Zwischen Orient und Ostsee« die Reisetagebücher der Großherzogin Elisabeth von Oldenburg publiziert. 1902 waren sie und Großherzog Friedrich August von Oldenburg in Konstantinopel für etwa zehn Tage Gäste Sultan Abdül Hamids II. Die Großherzogin beschreibt an mehreren Stellen ihrer Aufzeichnungen, wie sie mit Zigaretten und Mokka bewirtet wurden. Aus diesem Buch ist der folgende Ausschnitt entnommen, der allerdings die traditionelle Kaffeezeremonie am osmanischen Hof um die Mitte des 19. Jahrhunderts beschreibt. Der Topkapı Palast hatte zu diesem Zeitpunkt als Residenz der Herrscher bereits ausgedient, die Sultane und ihr Hof bewohnten nun die prunkvollen nach europäischen Vorbildern errichteten Palastanlagen entlang des Bosporus.
»Als Beispiel für das äußerst ausgeklügelte und glanzvolle Zeremoniell des osmanischen Hofes sei hier das Servieren des Kaffees für den Sultan beschrieben. Die Schilderung stammt von Leyla Saz Hanım [1845-1936], einer bedeutenden türkischen Musikerin und Dichterin, die, der osmanischen Hofgesellschaft angehörend, Kindheit und Jugend Mitte des 19. Jahrhunderts im Çiragan-Palast verbracht hatte:
Leyla Saz Hanım erzählt
›Wie wurde dem padischah serviert? – Der saz-Vortrag setzt mit einer Tonart ein, deren Auswahl huldreichst den Instrumentalisten überlassen wird. Nach dem Vorspiel und der Überleitung beginnt die ‹kemençe›, eine dreisaitige Fiedel, zu improvisieren. In diesem Augenblick betritt der kahveci usta, der Kaffeemeister, gefolgt von schön gekleideten jungen Leuten, den Raum. Der Meister hat den um seinen großflächigen tarbusch [eine andere Bezeichnung für den Fez, Th. W.] gewundenen Schal mit dem ihm als Zeichen seiner Meisterwürde verliehenen kürbiskernförmigen Diamanten geschmückt. Nach hinten trägt er zwei Haarzöpfe und über seinem langen Gewand einen salta. Dieser salta ist eine weite seidene, an den Rändern gekettelte Jacke, … . Der salta bedeckt den gesamten Rumpf und die Schenkel. Die sieben Meister des padischah, die Beschließerin und die beiden Schreiber erhielten stets bei ihrer Indienststellung aus dem ausschließlich dem Herrscher zur Verfügung stehenden Fundus eine dieser Jacken zugeteilt. Ohne ‹salta› durften sie vor dem padischah nicht erscheinen und hatten ihn auch bei sonstigen amtlichen Anlässen zu tragen. …
Die nach dem Kaffeemeister eintretenden jungen Leute trugen keine großflächigen tarbusche [eine Art Fez], sondern hatten den Kopf mit einem Schal aus leichtem Gewebe umwunden, an welchem auf der rechten Seite ein flacher, kleiner ‹fez› befestigt war, von dessen Mitte eine Troddel herabhing. Der Kaffeemeister schlägt das mit Litze, Perlen und in der Mitte mit einem Diamanten bestickte, mit Posamenten eingefasste runde Kaffeetuch an der einen Seite um und drückt es zwischen die Handflächen von zwei Mädchen. Sodann nimmt er von den goldenen Tablett, das diese an einem Gehänge an ihrer Seite tragen, eine mit Edelsteinen besetzte Tassenfassung und setzt das Tässchen ein. Einer der Kaffeediener trägt in der Hand ein Becken. Dieses Becken besteht aus einer an drei goldenen Ketten hängenden Wanne mit Füßen. In diesem Becken befindet sich eine Kanne, die in heißer Asche warmgehalten wird.
Mit Hilfe eines runden, mit Watte gepolsterten seidenen Tuches nimmt er die Kanne an ihrem Griff heraus, gibt den Kaffee in die Tasse und kredenzt sie dem padischah. Wenn dann die großherrliche Anweisung kommt: «Gebt auch den Frauen!», so wird auch den älteren Haremsdamen serviert. Auch deren Tassenfassungen sind mit Edelsteinen besetzt. Den Fuß der Fassung zierlich mit zwei Fingern ergreifend, genießt man den Trank. Werden die Tassen zurückgegeben [die Tassenfassungen ließen sich oftmals nicht abstellen, weil ihnen der dafür nötige Fuß fehlte], dann kommt die kemençe mit dem Improvisieren zum Ende und geht zur Melodie über.‹«
Die zitierte Beschreibung findet sich in:
Thomas Weiberg: Zwischen Orient und Ostsee. Die Reisetagebücher der Großherzogin Elisabeth von Oldenburg.
Entnommen ist sie dem Artikel von Nurhan Atasoy: Türkische Kaffeehaus-Tradition; S. 66-68; in: Mozaik – Türkische Kultur in Berlin, Bd. 2: Türkisches Leben.
Text © Thomas Weiberg
Aufnahmen © Thomas Weiberg, Archiv des Autors
Kaffeezeremonie am osmanischen Hof
In Schlössern und Gärten zu genießen, heißt auch immer wieder mit den fürstlichen Bewohnerinnen und Bewohnern zu genießen – heute mit der Hofgesellschaft von Sultan Abdül Aziz (1830-1876) in Konstantinopel:
Ctürk kahvesi
Kaffee: Ein Zauberwort unserer Tage, rascher Muntermacher, fast überall verfügbares Freizeitgetränk. Über die Qualität des braunen Trunkes aus oftmals ›zu Tode‹ gerösteten und zu Atomen vermahlenen Bohnen schweige ich besser. Wer mahlt die Kaffeebohnen heute noch selbst und brüht den Kaffee dann mit kochendem Wasser auf, verfeinert vielleicht mit etwas Kardamom, Zimt oder Nelken (ich mache das so) – eine kleine zusätzliche Arbeit, die sich lohnt. Duftender Kaffee ist das Ergebnis…
Spätestens als das Osmanische Reich und das deutsche Kaiserreich vor mehr als einhundert Jahren auf vielen Gebieten immer enger zusammenarbeiteten, wurde in es Deutschland Mode, türk kahvesi, der hier zu lande ›Mokka‹ (nach der ehemals osmanischen, heute jemenitischen Hafenstadt al-Muḫā) genannt wurde, zu trinken. Die arabisch-osmanische Kaffeekultur ist legendär. Sultan Abdühamid II. (1842-1918) bezog seinen Kaffee von den großherrlichen Plantagen in der Nähe von Lohadscha (Lahidsch) im Jemen, er galt als exzellent.
»Zwischen Orient und Ostsee«
Vor einigen Jahren habe ich unter dem Titel »Zwischen Orient und Ostsee« die Reisetagebücher der Großherzogin Elisabeth von Oldenburg publiziert. 1902 waren sie und Großherzog Friedrich August von Oldenburg in Konstantinopel für etwa zehn Tage Gäste Sultan Abdül Hamids II. Die Großherzogin beschreibt an mehreren Stellen ihrer Aufzeichnungen, wie sie mit Zigaretten und Mokka bewirtet wurden. Aus diesem Buch ist der folgende Ausschnitt entnommen, der allerdings die traditionelle Kaffeezeremonie am osmanischen Hof um die Mitte des 19. Jahrhunderts beschreibt. Der Topkapı Palast hatte zu diesem Zeitpunkt als Residenz der Herrscher bereits ausgedient, die Sultane und ihr Hof bewohnten nun die prunkvollen nach europäischen Vorbildern errichteten Palastanlagen entlang des Bosporus.
»Als Beispiel für das äußerst ausgeklügelte und glanzvolle Zeremoniell des osmanischen Hofes sei hier das Servieren des Kaffees für den Sultan beschrieben. Die Schilderung stammt von Leyla Saz Hanım [1845-1936], einer bedeutenden türkischen Musikerin und Dichterin, die, der osmanischen Hofgesellschaft angehörend, Kindheit und Jugend Mitte des 19. Jahrhunderts im Çiragan-Palast verbracht hatte:
Leyla Saz Hanım erzählt
›Wie wurde dem padischah serviert? – Der saz-Vortrag setzt mit einer Tonart ein, deren Auswahl huldreichst den Instrumentalisten überlassen wird. Nach dem Vorspiel und der Überleitung beginnt die ‹kemençe›, eine dreisaitige Fiedel, zu improvisieren. In diesem Augenblick betritt der kahveci usta, der Kaffeemeister, gefolgt von schön gekleideten jungen Leuten, den Raum. Der Meister hat den um seinen großflächigen tarbusch [eine andere Bezeichnung für den Fez, Th. W.] gewundenen Schal mit dem ihm als Zeichen seiner Meisterwürde verliehenen kürbiskernförmigen Diamanten geschmückt. Nach hinten trägt er zwei Haarzöpfe und über seinem langen Gewand einen salta. Dieser salta ist eine weite seidene, an den Rändern gekettelte Jacke, … . Der salta bedeckt den gesamten Rumpf und die Schenkel. Die sieben Meister des padischah, die Beschließerin und die beiden Schreiber erhielten stets bei ihrer Indienststellung aus dem ausschließlich dem Herrscher zur Verfügung stehenden Fundus eine dieser Jacken zugeteilt. Ohne ‹salta› durften sie vor dem padischah nicht erscheinen und hatten ihn auch bei sonstigen amtlichen Anlässen zu tragen. …
Die nach dem Kaffeemeister eintretenden jungen Leute trugen keine großflächigen tarbusche [eine Art Fez], sondern hatten den Kopf mit einem Schal aus leichtem Gewebe umwunden, an welchem auf der rechten Seite ein flacher, kleiner ‹fez› befestigt war, von dessen Mitte eine Troddel herabhing. Der Kaffeemeister schlägt das mit Litze, Perlen und in der Mitte mit einem Diamanten bestickte, mit Posamenten eingefasste runde Kaffeetuch an der einen Seite um und drückt es zwischen die Handflächen von zwei Mädchen. Sodann nimmt er von den goldenen Tablett, das diese an einem Gehänge an ihrer Seite tragen, eine mit Edelsteinen besetzte Tassenfassung und setzt das Tässchen ein. Einer der Kaffeediener trägt in der Hand ein Becken. Dieses Becken besteht aus einer an drei goldenen Ketten hängenden Wanne mit Füßen. In diesem Becken befindet sich eine Kanne, die in heißer Asche warmgehalten wird.
Mit Hilfe eines runden, mit Watte gepolsterten seidenen Tuches nimmt er die Kanne an ihrem Griff heraus, gibt den Kaffee in die Tasse und kredenzt sie dem padischah. Wenn dann die großherrliche Anweisung kommt: «Gebt auch den Frauen!», so wird auch den älteren Haremsdamen serviert. Auch deren Tassenfassungen sind mit Edelsteinen besetzt. Den Fuß der Fassung zierlich mit zwei Fingern ergreifend, genießt man den Trank. Werden die Tassen zurückgegeben [die Tassenfassungen ließen sich oftmals nicht abstellen, weil ihnen der dafür nötige Fuß fehlte], dann kommt die kemençe mit dem Improvisieren zum Ende und geht zur Melodie über.‹«
Die zitierte Beschreibung findet sich in:
Thomas Weiberg: Zwischen Orient und Ostsee. Die Reisetagebücher der Großherzogin Elisabeth von Oldenburg.
Entnommen ist sie dem Artikel von Nurhan Atasoy: Türkische Kaffeehaus-Tradition; S. 66-68; in: Mozaik – Türkische Kultur in Berlin, Bd. 2: Türkisches Leben.
Text © Thomas Weiberg
Aufnahmen © Thomas Weiberg, Archiv des Autors